Wirtschaft

"Schwer erträgliche Arroganz" Müllers Aussagen schaden "VW-Image"

VW-Chef Müller spricht sich gegen Entschädigungen im Dieselskandal für europäische Kunden aus. Das stößt Börsianern sauer auf. Aber noch eine weitere Äußerung sorgt für heftige Kritik.

Von Ruhe ist bei Volkswagen keine Spur. Diesmal hat allerdings nicht der seit über einem Jahr schwelende Abgasskandal für Wirbel gesorgt, sondern Konzernchef Matthias Müller. Er äußerte sich zu Themen wie Elektromobilität und der Dieselaffäre - und das kam bei einigen Analysten und Börsianern nicht besonders gut an.

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Anleger zeigten sich indes unbeeindruckt. Der VW-Aktienkurs kletterte in einem sich kaum verändert präsentierenden Marktumfeld mehr als 1 Prozent. Die Titel waren damit der Topgewinner im deutschen Börsenleitindex Dax.

"Paradoxe Situation"

Der Stein des Anstoßes: Müller sieht nicht ein, vom Dieselskandal betroffenen VW-Kunden in Europa ähnliche Entschädigungen zu zahlen wie in Amerika. "Man kann das nicht über einen Kamm scheren, denn die Ausgangssituation ist völlig unterschiedlich", sagte Müller der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Den Kunden in Europa entsteht ja kein Nachteil, weder beim Verbrauch noch bei den Fahreigenschaften. Auf der einen Seite kritisieren viele die amerikanische Gesetzgebung in anderen Zusammenhängen, siehe TTIP. Wenn es aber darum geht, selbst Vorteile daraus zu ziehen, scheint das amerikanische Recht auf einmal der richtige Weg zu sein."

Mit harschen Worten wehrt der Manager sich zudem gegen Vorwürfe, die deutsche Autoindustrie habe die Elektromobilität verschlafen: "Am Angebot mangelt es nicht, sondern an der Nachfrage: Auf der einen Seite denken und handeln viele Deutsche im Alltag grün, wenn es aber um E-Mobilität geht, haben wir als Verbraucher spitze Finger", erklärte er. "So ganz habe ich dieses paradoxe Phänomen noch nicht verstanden."

Der VW-Chef verteidigt zudem die angekündigte Streichung von 30.000 Stellen: "Der Volkswagen Konzern, insbesondere die Marke VW, hat Fett angesetzt in den Erfolgsjahren", so Müller. "Deshalb braucht es eine Schlankheitskur, die nehmen wir jetzt in Angriff - und zwar sozialverträglich. Auch das hat Volkswagen immer ausgemacht."

"Schwer verträgliche Arroganz"

"Beim Thema Entschädigungen europäischer Kunden hat Müller legal recht", kommentierte n-tv.de-Autoexperte Helmut Becker. "Faktisch und marketingtechnisch liegt er aber völlig daneben." Becker stellte auch klar, dass Deutschland bei der E-Mobilität nichts verschlafen habe. "E Autos werden bisher aber nur von reichen Konsum-Pionieren gekauft - und nicht von der breiten Masse."

Ganz übel kamen bei deutschen Aktienhändlern die Aussagen Müllers an. "Es ist schlimm genug, dass VW-Käufer in Europa genauso betrogen worden sind wie die in den USA. Aber den Kunden dann auch noch zu sagen, ihnen seien doch keine Nachteile entstanden, grenzt an Zynismus", sagte ein Marktteilnehmer. Entsprechend kräftig falle in den sozialen Medien der "Shitstorm" zu Müller aus. Der Händler sprach von "schwer erträglicher Arroganz" des Top-Managers.

Müller erweise zudem seinem Arbeitgeber einen "Bärendienst", kommentierte ein anderer Händler. Denn angesichts solcher Aussagen dürfte sich so mancher VW-Käufer überlegen, ob der nächste Autokauf wieder eine Marke von Volkswagen sein werde. "Auf diese Art und Weise zieht man den Käufer jedenfalls nicht auf seine Seite." Der Imageschaden, unter dem Volkswagen seit Beginn des Abgasskandals leide, werde eher noch größer.

Volkswagen hatte in den USA und in Europa Abgaswerte seiner Automobile manipuliert. In den USA muss der Konzern eine zweistellige Milliardensumme als Strafe zahlen. Zudem sind noch mehrere Sammelklagen anhängig, die den Betrag noch weiter erhöhen könnten. Der Konzern hat mittlerweile milliardenschwere Rückstellungen gebildet und will zehntausende Stellen abbauen. Das soll aber über Jahre und ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen.

Quelle: ntv.de, bad/DJ

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