Wirtschaft

Verlässt Frankreich die Eurozone? Marine Le Pen lehrt Anleger das Fürchten

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(Foto: REUTERS)

Euro und französische Bonds zucken vor der Wahl in Frankreich nervös. Dies ist nur ein Vorgeschmack, warnen Experten. Denn Investoren überblicken noch gar nicht, wie radikal Le Pen Europa als französische Präsidentin schaden könnte.

Ein Sieg von Marine Le Pen bei den französischen Präsidentschaftswahlen in knapp drei Monaten gilt zwar immer noch als Extremereignis. Aber Anleger werden mit Blick auf die Wahlen zunehmend nervöser, wie sich am Anleihemarkt ablesen lässt. "Die Ausweitung der Renditeabstände ist spektakulär", urteilte David Schnautz, Zinsstratege bei der Commerzbank. Der Abstand zwischen zehnjährigen Staatsanleihen aus Frankreich und Deutschland stieg zuletzt auf 0,78 Prozent. Das ist so hoch wie zuletzt im November 2012.

Zwar wird Paris seine Anleihen immer noch gut los, aber Investoren verlangen dafür deutlich mehr Geld. Frankreichs Staatsverschuldung ist zuletzt gewachsen. Im dritten Quartal 2016 lag sie bei 97,5 Prozent und damit über dem Eurozonen-Durchschnitt. Die Lage könnte sich aus Sicht der Marktteilnehmer also durchaus weiter zuspitzen - vor allem, wenn Le Pen in den Elyséepalast einziehen sollte. Viele Investoren flüchten sich da lieber in die als sicher geltenden zehnjährigen Bundesanleihen. Deren Rendite fiel umgekehrt auf den tiefsten Stand seit drei Wochen.

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Auch am Druck auf den Euro lässt sich die wachsende Skepsis ablesen. Die Gemeinschaftswährung sackte am Dienstag innerhalb weniger Stunden um fast einen US-Cent auf 1,0653 Dollar ab. "Ein potenziell europafeindlicher Wahlausgang lässt die Anleger wohl doch nicht kalt", schrieben die Experten der Metzler Bank in einem Kommentar. Selbst deutlich besser als erwartete ausgefallene Konjunkturdaten aus Deutschland hatten der Gemeinschaftswährung zuletzt keinen Auftrieb gegeben. Im Falle eines Wahlsiegs der 48-Jährigen im Frühjahr rechnen die Analysten von JP Morgan damit, dass der Euro sogar um bis zu zehn Prozent zum Dollar abwerten könnte.

Auf den Spuren von Trump

Ausgelöst hat die jüngsten Zuckungen bei Bonds und Euro Le Pens unmissverständliche Botschaft bei ihrem Wahlkampfauftakt in Lyon. Sie will Frankreich aus der Eurozone herauslösen und eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft abhalten. Im Vergleich zum bevorstehenden Brexit wäre ein Frexit ungleich folgenschwerer, warnen Experten. Würde Frankreich den Euro aufgeben und zur eigenen Landeswährung Franc zurückkehren, hätte der französische Staat bei seinen Schulden nicht mehr das Backup-System der Europartner. Schulden aufzunehmen würde für Paris nochmals deutlich teurer. Das mache Investoren etwas nervös, zitiert CNN Jennifer McKeown, Ökonomin bei Capital Economics.

Le Pen wandelt mit ihrer Radikalität auf den Spuren des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. In ihrem Programm mit 144 Wahlversprechen heißt es, sie wolle "Frankreich wieder in Ordnung bringen". Sie attackiert Globalisierung und ähnlich wie Trump plädiert sie für einen "intelligenten Protektionismus" - wie sie es nennt.  Französische Unternehmen sollen den Zuschlag bei öffentlichen Aufträgen bekommen und vor der nicht-französischen Konkurrenz geschützt werden. Inländische Unternehmen, die ausländische Arbeitskräfte einstellen, sollen besteuert werden.

Außerdem prangert Le Pen in Trumpscher Manier die Gefahren durch Einwanderung an. Und es gibt noch weitere frappierende Ähnlichkeiten: So drohte Le Pen, dass Frankreich mir ihr an der Spitze der Nato den Rücken kehren werde. All das wird Spuren hinterlassen - nicht nur in der französischen Wirtschaft. Frankreich ist nach Deutschland immerhin der zweitgrößte Wirtschaftsanker der Eurozone.

Das Le-Pen-Risiko nicht ignorieren

Auch wenn Le Pen wegen der Korruptionsaffäre des konservativen Spitzenkandidaten François Fillon in Umfragen aufholt, gehen Beobachter bislang noch davon aus, dass sie nur den ersten Wahldurchgang am 23. April gewinnen dürfte. In der zweiten Runde am 7. Mai werden dem sozialliberalen Kandidaten, Emmanuel Macron, bessere Chancen eingeräumt. Er setzt sich für eine Stärkung der EU ein. Allerdings hat schon der Ausgang des Brexit-Referendums im vergangenen Jahr und der Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus in Washington viele Investoren auf dem falschen Fuß erwischt. Die französischen Präsidentschaftswahlen könnten die nächste Überraschung sein.

Die Sorgen der Anleiheinvestoren seien berechtigt, sagte Charles Lichfield von Eurasia Group, einer Unternehmensberatung, die politische Risiken berechnet, CNN. "Wir haben diese niedrige, aber nicht unwesentliche Wahrscheinlichkeit, dass sie gewinnen wird". Das Le-Pen-Risiko sei etwas, "was man nicht ignorieren kann", auch wenn es "im Großen und Ganzen noch immer als ein Extremereignis" gilt, kommentierte auch Mark Dowding von BlueBay Asset Management LLP bei Bloomberg.

Siegt Le Pen, dürften die Risikoprämien für französische Staatsanleihen weiter steigen. Und dieses Szenario sei längst noch nicht eingepreist, so Francesco Garzarelli, Leiter des Makro-Researchs bei der US-Investmentbank Goldman Sachs. Laut Daniel Lenz, Zinsstratege bei der DZ Bank, könnten die Risikoprämien sogar wieder in Richtung 1,4 Prozentpunkte über deutschen Bundesanleihen steigen. Auf diesem Niveau waren sie auf dem Höhepunkt der Eurokrise Anfang 2012. Turbulenzen dürften also programmiert sein. Zumal in diesem Jahr auch noch Wahlen in den Niederlanden und Deutschland anstehen.

Quelle: ntv.de

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