Wirtschaft

"Passgenau gestalten" Lufthansa schrumpft die Business Class

Blick in die Business Class an Bord einer 747-8: "Man versucht, das passgenau zu gestalten."

Blick in die Business Class an Bord einer 747-8: "Man versucht, das passgenau zu gestalten."

(Foto: picture alliance / dpa)

Auf der Langstrecke verlieren Komfort und Vorzugsbehandlung offenbar an Bedeutung: Die größte deutsche Fluggesellschaft reagiert und steuert bei den Buchungsklassen um. Künftig bekommt die "Economy Class" mehr Raum an Bord.

Die Lufthansa will das Platzangebot in der sogenannten "Business Class" auf einigen Langstrecken-Verbindungen verringern. Der Dax-Konzern bestätigte entsprechende Angaben des "Spiegel". Demnach ist die Maßnahme Bestandteil eines Planes, mit dem die Fluggesellschaft neue Märkte erschließen und Verbindungen gegen Wettbewerber verteidigen will.

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Bisher hat die Lufthansa je nach Flugzeuggröße 50 bis 100 Sitze für die Business Class vorgesehen. Weil diese sich jedoch auf einigen Strecken nur noch schwer oder gar nicht mehr verkaufen lassen, reagiert der Konzern nun mit einer Schrumpfkur in diesem Bereich. In einigen Flugzeugen soll die Komfortklasse auf 20 Sitze reduziert und dafür die Zahl der "Economy"-Reihen erhöht werden. "Man versucht, das passgenau zu gestalten", erklärte ein Lufthansa-Sprecher.

Größere Veränderungen stehen Flugreisenden nach Ansicht von Experten am Platz bevor. Ab kommendem Sommer können sich Lufthansa-Passagiere während des Flugs wie auf dem heimischen Sofa Filme auf den eigenen Tablet-Computer holen. Blitzschnelle Internet-Verbindungen an Bord werden in wenigen Jahren bei vielen Fluglinien Standard sein, versprechen Branchenkenner.

Der US-Konzern Honeywell etwa plant zusammen mit dem Satellitentelefon-Betreiber Inmarsat ein System, mit dem nahezu rund um den Globus Datengeschwindigkeiten von 50 MBit in der Sekunde erreicht werden. Ein zweistündiger HD-Film kann damit in wenigen Minuten heruntergeladen werden. Einen Haken gibt es: Die Bandbreite müssen sich 200 oder 300 Passagiere in einem Flugzeug teilen. Flugzeugzulieferer arbeiten schon jetzt daran, wie die erforderliche Elektronik am besten in den engen Flugzeugkabinen verstaut werden kann.

Angst vor der "Betamax-Falle"

Der scharfe Konkurrenzdruck und die anhaltend hohen Treibstoffkosten zwingen die Fluggesellschaften zu exakt ausgetrimmten Kalkulationen. Das gilt auch für den Online-Zugang an Bord. Kostenlos wird der neue Service voraussichtlich nicht überall zur Verfügung stehen. Die Airlines hoffen, ihren Passagieren für die Internet-Nutzung ein paar Euro oder Dollar extra berechnen zu können.

Die neue Technik verspricht zudem Einsparungen an ganz anderer Stelle: Experten zufolge könnten langfristig sogar die teuren und schweren Bildschirme in der Lehne des Vordersitzes überflüssig werden - dann nämlich, wenn Reisende ihre eigenen Tablet-Computer und Smartphones nutzen.

Fluggesellschaften zögern allerdings, denn die Internet-Aufrüstung einer ganzen Jet-Flotte verschlingt schnell einige Hundert Millionen Dollar. Zudem hat sich noch kein Standard durchgesetzt. "Wir wollen nicht auf so etwas wie Betamax sitzenbleiben", sagt Peter Ingram, Finanzchef der US-Fluglinie Hawaiian Airlines. Betamax war ein Videoformat, das in den 80er Jahren im Kampf um die Markthoheit letztlich gegen VHS unterlag - Betamax-Fans, die viel Geld für Videorekorder ausgegeben hatten, hatten das Nachsehen. Das von ihnen bevorzugte Format, das viele Nutzern als das technisch bessere System ansehen, setzte sich am Markt nicht durch.

Von Boeing hängengelassen

Die Lufthansa kennt das Dilemma. Die Fluggesellschaft mit dem Kranich im Logo holte das drahtlose Internet bereits vor einem Jahrzehnt mit Hilfe des Flugzeugbauers Boeing an Bord. Allerdings stellte der US-Konzern das "Connexion" genannte Projekt, in das Lufthansa Millionen investiert hatte, nach ein paar Jahren wegen mangelnder Nachfrage ein.

"Wir hatten ein klein wenig Pech", sagte der scheidende Konzernchef Christoph Franz, der sein Amt im Mai an Carsten Spohr übergeben wird. Bei der Lufthansa hat man aus der enttäuschenden Erfahrung mit Boeing gelernt. Nun setzt das Unternehmen auf eine andere Technik, dieses Mal von Panasonic und der Deutschen Telekom, die mittlerweile in gut 90 Prozent der Langstrecken-Flugzeuge eingebaut worden ist.

Für einen Teil ihrer Mittelstrecken-Flotte geht die Lufthansa einen anderen Weg. Auf 20 der Airbus A321-Jets werden ab Sommer Filme und TV-Serien über das bordeigene WLan-Netz angeboten. Reisende können auf den Dienst über ihre mitgebrachten Mobilgeräte zugreifen. "Jeder Passagier nimmt heutzutage beim Reisen ein Smartphone oder einen Tablet mit", sagt Jens Bischof, Topmanager im Passagiergeschäft der Lufthansa. Die Nutzung koste nichts extra. Internet-Zugang gibt es bei der "Boardconnect" genannten Lösung nicht.

Hollywood stoppt Tablet-Revolution

Damit könnten die Tage der fest installierten Monitore im Vordersitz tatsächlich gezählt sein. Die sind nicht nur teuer, sondern vor allem auch schwer, da sich hinter den Bildschirmen viel Elektronik, Kabel und Server verbergen. Ohne die Systeme wären Jets nach Angaben des britischen Branchenriesen BAE bis zu 1,4 Tonnen leichter.

In der Kalkulation der Fluggesellschaften, die unter dem Druck der Spritpreise akribisch jedes überflüssige Kilo an Bord vermeiden, liegt hier eine große Einsparmöglichkeit. Zulieferer für Bordinneneinrichtungen wittern bereits gute Geschäfte. "Bei den neuesten Trends in der Branche geht es um Halterungen für Tablets und Stromanschlüsse", sagt Mark Hiller, Chef von Recaro Aircraft Seating.

Das Unternehmen aus Schwäbisch Hall, besser bekannt für sein Rennauto-Sitze, hat eine neues Flugzeugsitzdesign entworfen, bei dem die Befestigung für Flachcomputer höher angebracht ist. Idee dahinter: Reisende sollen gleichzeitig auf ihrem Flach-Computer einen Film schauen und den Ausklapp-Tisch darunter nutzen können.

Eigenentwicklung "Boardconnect"

Die Einsatzmöglichkeiten von Tablet-Computern an Bord sind aber begrenzt. Die Lufthansa etwa musste ihr System "Boardconnect" selbst entwickeln, da es ansonsten keine verlässlichen Lösungen gab, sagte Konzernchef Franz. Die Basisarbeit habe sich gelohnt, da die Technik der Lufthansa-Tochter LH Systems schon an andere Airlines wie Virgin Australia verkauft worden sei. "Keiner außer uns schafft es, 150 Streams in einem Flugzeug gleichzeitig ausstrahlen."

Nicht nur die Technik, sondern auch die Zurückhaltung der Hollywood-Studios wird nach Einschätzung von Luftfahrt-Expertin Mary Kirby dafür sorgen, dass fest verbaute Unterhaltungselektronik in Langstrecken-Jets noch lange nicht überflüssig wird. Die Filmstudios nämlich untersagten die Ausstrahlung ihrer neuesten Blockbuster auf Computern und Tablets an Bord - aus Angst vor illegalen Mitschnitten. "Für Fluglinien wie Qatar Airways ist es aber entscheidend, die neuesten Filme im Angebot zu haben", sagt Kirby, Redakteurin der Flugthemenseite "Runway Girl Network". Hollywood sichere den Fortbestand von fest eingebauten Unterhaltungssystemen in Flugzeugen.

Quelle: ntv.de, mmo/rts

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