Wirtschaft

Athen rollt Schmiergeldaffäre auf Lebenslang für Ex-Siemens-Chef von Pierer?

Heinrich von Pierer 2011 bei der Präsentation seiner Autobiographie "Gipfel-Stürme". Jetzt wird es wieder stürmisch.

Heinrich von Pierer 2011 bei der Präsentation seiner Autobiographie "Gipfel-Stürme". Jetzt wird es wieder stürmisch.

(Foto: picture alliance / dpa)

Zur Abschreckung gegen Korruption und Geldwäsche rollt die griechische Justiz den in Deutschland längst abgeschlossenen Korruptionsskandal bei Siemens groß auf. Sie will Ex-Chef von Pierer notfalls mit internationalem Haftbefehl nach Athen zitieren.

Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer holen die Schatten der Vergangenheit ein. Vor neun Jahren flog der milliardenschwere Korruptionsskandal bei Siemens auf. Die deutsche Justiz hat ihn längst zu den Akten gelegt. Aber nun will sich Athen in einem "Jahrhundertprozess", wie die griechische Presse titelt, selbst der Affäre rund um die Modernisierung des griechischen Telefonnetzes widmen. Offenbar soll der Prozess ein Zeichen gegen Bestechung und Geldwäsche in dem Land setzen.

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Dem tiefgefallenen Ex-Manager droht dabei möglicherweise eine weitaus schlimmere Strafe, als in Deutschland: Gefängnis. Denn in Griechenland stehen auf Bestechung und Geldwäsche im schlimmsten Fall lebenslange Haft. Die griechische Staatsanwaltschaft wirft von Pierer und weiteren ehemaligen Siemens-Managern vor, über Jahre griechische Politiker und Beamte bestochen zu haben, um an öffentliche Aufträge zu gelangen. Konkret geht es um knapp 70 Millionen Euro Schmiergeld, die ab 1997 aus dem Hause Siemens an die Entscheider in Griechenland geflossen sein sollen, um den rund 700 Millionen Euro schweren Deal mit dem griechischen Telekomriesen OTE an Land zu ziehen. Anders als in Deutschland verjährt Bestechung öffentlicher Amtsträger in Griechenland nicht.

Verantwortlich für Siemens schrieb in den fraglichen Jahren von Pierer. Er stand dem Unternehmen seit 1992 vor. 2005 wechselte er in den Aufsichtsrat. Nachdem der Skandal durch eine Razzia der Münchner Staatsanwaltschaft ins Rollen kam, musste der Ex-Manager nur wenige Monate später seinen Sessel als Chefkontrolleur räumen. Eine persönliche Verwicklung in die Schmiergeldaffäre konnte ihm in Deutschland nicht nachgewiesen werden. Trotzdem musste von Pierer Strafe zahlen. Er wies die Schuld von sich, einigte sich aber dennoch mit seinem früheren Arbeitgeber auf Schadenersatz in Millionenhöhe. Darüber hinaus zahlte er ein Bußgeld wegen fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht. Im Gegenzug wurden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München gegen ihn eingestellt.

In Athen beginnt alles von vorn

Nun geht der Alptraum in die nächste Runde. Aus Angst vor Freiheitsentzug will sich von Pierer in Griechenland angeblich rarmachen. Wie unter anderem die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, wird er sich durch seine Anwälte vertreten lassen, statt persönlich zu erscheinen. Laut "Handelsbatt" hat die griechische Justiz jedoch schon angekündigt, sie wolle internationalen Haftbefehl gegen ihn erlassen, wenn er nicht erscheine.

Siemens sieht sich derweil nicht von dem Prozess betroffen. Das Unternehmen hatte sich 2012 mit Griechenland auf einen Vergleich geeinigt. Bußgelder gegen den Konzern wurden nicht verhängt. Dafür verzichtete Siemens auf die Bezahlung offener Rechnungen von 80 Millionen Euro, unterstützte griechische Bildungs- und Anti-Korruptionsprogramme mit 90 Millionen Euro und investierte 100 Millionen Euro in seine griechischen Konzerntöchter und die Arbeitsplätze dort. Siemens als Unternehmen zog damit einen Schlussstrich unter die Schmiergeldaffäre. Nicht abgeschlossen war damit allerdings die strafrechtliche Verfolgung der führenden Köpfe der Affäre.

Für Freitag ist der Prozessauftakt geplant. Noch stellt sich allerdings die Frage, ob er überhaupt rechtens ist. Die Athener Zeitung "Kathimerini" berichtet, die 4592 Seiten starke Anklageschrift liege nur auf Griechisch vor, angeblich aus Geldmangel, weil das Athener Justizministerium die 100.000 Euro für die Übersetzung ins Deutsche nicht aufbringen konnte. Beobachter halten den Prozess vor allem für politisch motiviert. Es ist also noch völlig unklar, welche Wendung der Athener "Jahrhundertprozess" nehmen wird.

Insgesamt sind 76 Personen angeklagt, neben Ex-Siemens-Chef von Pierer 13 ehemalige Mitarbeiter und Manager von Siemens sowie griechische Politiker und Manager von OTE. Sämtliche angeklagten Ex-Siemens-Mitarbeiter sind schon lange nicht mehr für das Unternehmen tätig. Auch wenn der Prozess wohl keine großen Chancen auf Erfolg hat: Als Reiseziel empfiehlt sich Griechenland für von Pierer vorerst nicht. Ein Siemens-Manager soll 18 Monate in seinem Ferienhaus unter Arrest gestanden haben, bis er sich ohne Wissen der griechischen Justiz nach Deutschland absetzte. Der Prozess dürfte sich wohl über Jahre hinziehen.

Quelle: ntv.de

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