Wirtschaft

Börsen stecken Rückschläge weg Ist die Brexit-Angst unangebracht?

Das Gesicht des Brexits: Großbritanniens neuer Außenminister Boris Johnson.

Das Gesicht des Brexits: Großbritanniens neuer Außenminister Boris Johnson.

(Foto: REUTERS)

An den Börsen ist die Brexit-Panik verflogen. Die Aktienmärkte haben sich vom Schock erholt. So erfreulich das für manche sein mag: Es gibt auch richtig schlechte Nachrichten.

Brexit? War da was? Kaum hatten sich die Briten entschieden, aus der Europäischen Union auszutreten, stürzten die Aktienmärkte ab. Mittlerweile ist der Kanonendonner verstummt, der Rauch hat sich verzogen. Und an den Börsen sieht es so aus, als sei nichts geschehen. Ob Londoner FTSE oder Frankfurter Dax: Börsenindizes haben weltweit ihre Verluste wettgemacht, einige nehmen sogar fröhlich neue Höchststände ins Visier.

Also alles eitel Sonnenschein? Mitnichten. Die steigenden Aktienkurse sagen nichts darüber aus, welche wirtschaftlichen Konsequenzen ein Brexit für Großbritannien und den Rest der EU haben wird.

Denn der Hauptgrund für steigende Aktienkurse ist derselbe, der sie seit 2009 in schwindelerregende Höhen treibt: die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken. Die soll die Konjunktur zum Laufen bringen - bisher mit überschaubarem Erfolg. Doch billiges Geld und die Hoffnung auf immer neue Geldspritzen haben wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Börsen seit Jahren von der realen Wirtschaft abgekoppeln. Miese Quartalszahlen, unerfreuliche Wirtschaftsdaten oder extrem hohe Kurse tun der Euphorie keinen Abbruch. Mit anderen Worten: Zu denken, dass steigende Aktienkurse auf eine florierende Wirtschaft und rosige Aussichten hindeuten, ist ein Irrtum.

Was auch daran liegt, dass sich die Folgen eines Brexits erst langsam zeigen werden. Viele Ökonomen rechnen damit, dass Großbritannien in der zweiten Jahreshälfte in die Rezession rutscht. Sie erwarten, dass viele Unternehmen und Haushalte ihre Ausgaben zurückfahren werden. Der Grund: eine ungewisse Zukunft.

Flucht ins Gold

Wer in Sachen Brexit auf die Börse schaut, der schaut deshalb auf den falschen Markt. Der Devisen- und der Anleihenmarkt sind weitaus aussagekräftiger. Und dort ist zu sehen, dass die Unruhe und das Bedürfnis nach Sicherheit groß sind – und durch den drohenden Brexit noch verstärkt werden. 

So sind die Renditen auf Staatsanleihen derzeit absurd niedrig, zum Teil liegen sie sogar im negativen Bereich. Nur ein Beispiel: Deutschland bekommt Geld dafür, wenn es sich Geld leiht. Das hat selbstverständlich auch damit zu tun, dass die Europäische Zentralbank in großem Stil Staatsanleihen am Markt aufkauft und so die Renditen insgesamt drückt. Aber es hat eben auch damit zu tun, dass Anleger nicht zuletzt wegen des Brexit-Votums in "sichere Häfen" flüchten. Bundesanleihen sind in unsicheren Zeiten begehrt, weil sie als nahezu risikoloses Investment gelten.  

Neben Staatsanleihen sind derzeit auch andere "Fluchtwährungen" gefragt, beispielsweise Schweizer Franken und japanischer Yen. Dazu gehört auch Gold, das pro Feinunze derzeit 1333 Dollar kostet und damit knapp sechs Prozent mehr als am Tag des Brexit Votums. Es ist damit sogar etwas teurer als während des Börsenbebens, das dem Referendum folgte.

Das britische Pfund sagt wohl am meisten in Sachen Brexit aus: Kostete es vor dem Referendum noch mehr als 1,48 Dollar, sind es jetzt rund 1,32 Dollar – ein Minus von knapp elf Prozent. Das spiegelt die erhebliche Verunsicherung wider, die auf das Referendum folgte. Denn die ungewisse Zukunft sorgt dafür, dass es sehr viel unattraktiver geworden ist, in Großbritannien zu investieren. Schließlich weiß niemand, welchen Zugang Großbritannien künftig auf die weltweiten Märkte unter welchen Bedingungen haben wird. Es steht noch nicht einmal fest, wer von den vielen ausländischen Arbeitskräften nach einem Brexit in Großbritannien bleiben darf. Vor diesem Hintergrund legen Unternehmen geplante Investitionen auf Eis. Und wenn weniger investiert wird, dann sinkt die Nachfrage nach dem Pfund.

Während die Aktienmärkte also wieder im Partymodus sind, stimmt der Blick auf andere Märkte nicht gerade fröhlich – und das Gezerre darum, wie der Brexit vonstatten geht, hat noch nicht einmal richtig begonnen.

Quelle: ntv.de

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