Politik

Schwere Waffen für Deutschland? Grüne lehnen Panzer-Vorstoß ab

Schnell, schwer, schlagkräftig: Der Leopard II gilt noch immer als einer der besten Kampfpanzer der Welt.

Schnell, schwer, schlagkräftig: Der Leopard II gilt noch immer als einer der besten Kampfpanzer der Welt.

(Foto: REUTERS)

Die Berliner Verteidigungspolitik steht vor einer gewichtigen Neuausrichtung. Die Kämpfe in Syrien und die Nervosität der Nato-Länder in Osteuropa legen eine neue Bedrohungslage nahe. Experten glauben: Deutschland braucht dringend mehr Panzer.

Die Grünen haben die in den Reihen der großen Koalition kursierenden Pläne scharf kritisiert, die Zahl der Kampfpanzer bei der Anschaffung neuer Ausrüstung für die Bundeswehr deutlich zu erhöhen. Diese Wende sei "kein Zeichen von Seriosität", sagte der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

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Erst habe Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die Panzer abgeschafft, nun schaffe die jetzige Ministerin Ursula von der Leyen sie wieder an. "Da wird von Aufgabe zu Aufgabe gehoppelt, statt die Truppe angesichts der Weltlage grundsätzlich flexibler zu machen", sagte Nouripour.

Am Vortag war bekanntgeworden, dass die Koalition mehr Kampfpanzer und mehr gepanzerte Fahrzeuge vom Typ "Boxer" anschaffen will als bisher geplant. Damit wolle man auf Bündnisanforderungen und die Veränderung der Bedrohungslage durch aktuelle Krisen reagieren, hieß es aus dem Verteidigungsausschuss des Bundestages. Die bisher angestrebten Zahlen von 225 Hauptkampfpanzern vom Typ "Leopard II" sowie 190 Radpanzern vom Typ "Boxer" seien zu gering und müssten "signifikant erhöht werden".

Gepanzertes Transportkraftfahrzeug (GTK) "Boxer", hier bei der Truppeneinführung in Neubrandenburg.

Gepanzertes Transportkraftfahrzeug (GTK) "Boxer", hier bei der Truppeneinführung in Neubrandenburg.

(Foto: picture alliance / dpa)

Neue Feindbilder?

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte der Zeitung, alle Bündnispartner müssten Artikel 5 des Nato-Vertrages wieder ernst nehmen, der sie zur gemeinsamen Verteidigung des Bündnisgebietes verpflichte. Der Sozialdemokrat will auch mit der Praxis Schluss machen, ausgemusterte Panzer zu verkaufen. Es sei besser, sie zu modernisieren und für Krisen auf Vorrat zu halten.

Eine grundsätzliche Neuausrichtung der deutschen Verteidigungspolitik könnte zudem an ganz anderer Stelle eine möglicherweise unbeabsichtigten Zusatzwirkung entwickeln: Ganz nebenbei dürfte eine stärkere Inlandsnachfrage nach schweren Waffensystemen die deutsche Rüstungsindustrie für etwaige Beschränkungen im Rüstungsexportgeschäft entschädigen. Damit ließen sich nicht nur wertvolle Arbeitsplätze in Unternehmen wie KMW oder Rheinmetall erhalten, sondern auch die hochspezialisierte Zulieferindustrie mit neuen Aufträgen versorgen.

Hintergrund für den Vorstoß sind die aktuellen geopolitischen Krisen: Angesichts des Vormarschs der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) in Syrien und dem Irak diskutieren Militärexperten längst auch Szenarien, in denen die Nato einen echten Bündnisfall ausrufen müsste - etwa, wenn es zu direkten Angriffen der Dschihadisten auf das Nato-Land Türkei kommen sollte. Im Hintergrund schwärt zudem auch noch die Ukraine-Krise, die insbesondere unter Nato-Mitgliedstaaten in Osteuropa für anhaltende Nervosität sorgt.

Geld für ein neues Luftabwehrsystem

Die Bundeswehr hatte sich in den vergangenen Jahren mühsam von einer reinen Armee zur Landesverteidigung zu einer Streitmacht mit Fähigkeiten für begrenzte Auslandseinsätze wie etwa in Afghanistan gewandelt. Die Mitte der Woche im Verteidigungsausschuss des Bundestages in einer nicht-öffentlichen Sitzung diskutierten Anträge zu verschiedenen Haushaltsposten des Wehretats waren nach der Veröffentlichung eines Beratergutachtens zum Rüstungsbereich im Verteidigungsministerium am 6. Oktober nicht geändert worden. Einzige Ausnahme bildete ein Antrag zum Thema Luftabwehr.

Darin heißt es, die Entscheidung darüber, ob man die Entwicklung des "Meads"-Systems vorantreibt oder eine Alternative auf Grundlage des alten "Patriot"-Systems wählt, müsse möglichst noch vor Mitte 2015 fallen. Die von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen beauftragten Gutachter der Firma KPMG hatten vorgeschlagen, über das Nachfolgesystem für "Patriot" noch einmal grundsätzlich und "ohne Zeitdruck" nachzudenken. In den USA und Israel sind längst schlagkräftige Patriot-Nachfolger wie etwa das Iron-Dome-System im Einsatz.

Verteidigungspolitiker der Regierungskoalition befürworten eine Lösung mit einem 360-Grad-Radar. "Die Linke sieht keine Notwendigkeit für ein so teures Projekt", sagte Ausschussmitglied Alexander Neu von den Linken. Von der Leyen war in den vergangenen Wochen nicht nur von der Opposition wegen der Materialprobleme bei der Bundeswehr kritisiert worden.

Verschiedene Stimmen warfen der amtierenden Verteidigungsministerin vor, sie habe seit ihrem Amtsantritt 2013 zu wenig unternommen, um Verbesserungen - zum Beispiel bei der Einsatzbereitschaft der Hubschrauber und Transportflugzeuge - zu erreichen. Die Kritiker der Ministerin warten nun gespannt darauf, wie sie mit den Empfehlungen der Gutachter zu den wichtigsten Rüstungsvorhaben umgehen wird.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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