Wirtschaft

Tödlicher Qualitätsmangel GM beziffert die Kosten

Schwachstelle Zündschloss: Bei einem Händler in Los Angeles leuchtet das Logo eines Chevrolet "Camaro" in der Sonne.

Schwachstelle Zündschloss: Bei einem Händler in Los Angeles leuchtet das Logo eines Chevrolet "Camaro" in der Sonne.

(Foto: REUTERS)

Die Rückruf-Serie wird für General Motors deutlich teurer als bislang bekannt: Inmitten einer Welle öffentlicher Empörung muss GM-Chefin Barra immer höhere Kosten des Zündschloss-Skandals aufdecken. Die Summe überspringt die Milliardengrenze.

GM-Chefin Mary Barra bei ihrer Befragung im US-Senat: Die Verfehlungen im Qualitätsmanagement stammen aus einer Zeit lang vor ihrem Amtsantritt.

GM-Chefin Mary Barra bei ihrer Befragung im US-Senat: Die Verfehlungen im Qualitätsmanagement stammen aus einer Zeit lang vor ihrem Amtsantritt.

(Foto: Reuters)

Der Rückruf wegen defekter Zündschlösser kommt den US-Automobilkonzern General Motors (GM) teuer zu stehen. Für das abgelaufene erste Quartal rechnet der Konzern mittlerweile mit Belastungen aus den Reparaturen diverser Mängel in Höhe von rund 1,3 Milliarden Dollar (940 Millionen Euro). Dieser Sonderaufwand zur Abdeckung der Reparaturkosten beinhalte die bereits angekündigten 750 Millionen Dollar, teilte das Unternehmen mit. Hinzu könnten Strafen sowie Entschädigungen aus Zivilprozessen kommen.

Abgesehen davon sollen die schwerwiegenden Sicherheitsmängel das Geschäft des größten US-Autobauers nicht weiter beeinträchtigen. Der Mutterkonzern des deutschen Herstellers Opel erwartet trotz aller Sonderbelastungen im Zusammenhang mit dem Skandal rund um mangelhafte Zündschlösser eigenen Angaben zufolge eine solide operative Entwicklung im Kerngeschäft.

Der Hersteller mit Sitz in der US-Autometropole Detroit teilte zudem mit, dass bei den Zündschlössern nicht mehr nur der eigentlich problematische Schalter ausgetauscht wird, sondern auch der Schließzylinder. Es sei unter Umständen möglich, den Schlüssel bei laufendem Motor herauszuziehen. Deswegen habe es mehrere hundert Beschwerden gegeben; dem Unternehmen sei aber kein tödlicher Unfall wegen dieses spezifischen Defekts bekannt.

GM
General Motors (GM) 43,21

Der Opel-Mutterkonzern ruft weltweit 2,6 Millionen Wagen wegen der fehlerhaften Zündschlösser zurück. Ein Schalter ist zu schwach ausgelegt, weshalb der Zündschlüssel bei voller Fahrt in die "Aus"-Position springen kann. Auch Airbags, Servolenkung und Bremskraftverstärker funktionieren dann nicht mehr. GM bringt 13 Unfalltote damit in Verbindung.

Bei voller Fahrt wie gelähmt

Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA untersucht derzeit, warum sich GM erst so spät zum Rückruf im Millionenmaßstab entschließen konnte, obwohl die potenziell lebensgefährlichen Probleme mit den Zündschlössern seit mehr als zehn Jahren bekannt waren.

Der Defekt könnte allerdings zu deutlich mehr als den bislang bekannten 13 Todesfällen geführt haben. Beobachter rechnen mit einer sehr viel höheren Dunkelziffer, die sich im Nachhinein allerdings nur schwer gerichtsfest beweisen lassen dürften. Der Skandal führt in den USA zu erheblichem Aufsehen und droht den Namen GM in der öffentlichen Wahrnehmung auf Jahre schwer zu belasten. Mittlerweile befasst sich auch der US-Kongress mit dem Fall.

Der Detroiter Konzern musste im Zuge der großen Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 aufgrund massiver Absatzschwierigkeiten mit Milliarden an Steuergeldern vor dem Zusammenbruch bewahrt worden. Zu diesem Zeitpunkt waren die potenziell tödlichen Qualitätsmängel konzernintern längst bekannt. Erste Erkenntnisse reichen zurück bis ins Jahr 2001. Vor diesem Hintergrund sieht sich Konzernchefin Mary Barra nun mit scharfem Gegenwind konfrontiert - ganz abgesehen von den möglichen juristischen Folgen des Zündschloss-Skandals.

Zwei Ingenieure suspendiert

Nach dem verspäteten Rückruf von Millionen von Wagen zog sie weitere personelle Konsequenzen. Zwei Ingenieure seien in den Zwangsurlaub geschickt worden, teilte das Unternehmen mit. Die Entscheidung fiel nach einem Treffen von Barra mit Anwalt Anton Valukas, der mit einer internen Ermittlung zu der Angelegenheit befasst ist. In der Erklärung wird Barra mit den Worten zitiert, es handele sich um eine "Zwischenetappe" auf dem Weg, die ganze Wahrheit aufzudecken. Die Entscheidung sei "schwierig", aber "die richtige für GM" gewesen.

GM hatte im Februar und März insgesamt rund 2,6 Millionen Autos der konzerneigenen Marken wie Chevrolet, Pontiac und Saturn zurückgerufen. Grund waren Probleme mit der Elektrik im Zündschluss, die das Auslösen der Airbags verhindern können und schlimmstenfalls auch bei voller Fahrt Servolenkung und Bremskraftverstärker lahmlegen.

13 erwiesene Todesfälle

Rund 30 Unfälle mit den genannten 13 Toten stehen laut GM mit dem Fehler in direktem Zusammenhang. Erstmals war das Problem bereits 2001 aufgetreten. Bei ihrer Anhörung vor dem US-Kongress in der vergangenen Woche hatten Parlamentarier sich verwundert darüber geäußert, dass bei GM bislang noch keine personellen Konsequenzen gezogen worden seien. Auf diesen Vorwurf scheint Barra nun reagiert zu haben.

Da das Unternehmen schon lange von dem Problem wusste, leiteten der US-Kongress, das Justizministerium und die Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA Untersuchungen ein. Bisher weigerte sich GM jedoch, einen Entschädigungsfonds für die Familien der Opfer einzurichten.

Im ganzen Land laufen unterdessen Ermittlungen, bei denen Angehörige bei zahlreichen weiteren, bislang ungeklärten Unfällen aus der Vergangenheit der Frage nachgehen wollen, ob nicht vielleicht doch fehlerhafte GM-Elektrik für den Tod oder die schweren Verletzungen der betroffenen Verkehrsteilnehmer verantwortlich gemacht werden muss. Wie hoch der Gesamtschaden für GM ausfällt, ist damit noch vollkommen offen.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/rts

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