Wirtschaft

Anleger feiern "Tapering"-Start der Fed Bernanke leitet die Wende ein

Nun also doch: Die US-Notenbank zieht die geldpolitischen Zügel an und fährt ihr monatliches Kaufprogramm zurück. Börsianer reagieren erleichtert, Analysten feiern das "behutsame Vorgehen". Das teuerste Experiment der Menschheitsgeschichte beginnt.

Die nüchterne Atmosphäre täuscht: Bernankes letzte Pressekonferenz markiert den Beginn des historischen "Exit"-Experiments - es geht um das Wagnis, die weltgrößte Volkswirtschaft auf eine Art sanften Entzug zu setzen.

Die nüchterne Atmosphäre täuscht: Bernankes letzte Pressekonferenz markiert den Beginn des historischen "Exit"-Experiments - es geht um das Wagnis, die weltgrößte Volkswirtschaft auf eine Art sanften Entzug zu setzen.

(Foto: REUTERS)

Kurz vor der Jahreswende dämmt die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ihre Milliarden schweren Konjunkturspritzen ein - und landet an den Aktienmärkten damit offenbar einen Volltreffer. Die Währungshüter reduzieren ihr Ankaufprogramm für Staatsanleihen und Immobilienpapiere um jeweils 10 Milliarden Dollar und pumpen damit künftig die leicht verringerte Summe von nur noch 75 Milliarden Dollar pro Monat in die Märkte.

Der Schritt war in Fachkreisen bereits erwartet worden. Im Sommer hatten entsprechende Andeutungen aus der Fed noch für erheblichen Wirbel gesorgt und die Kurse zeitweise scharf nach unten gedrückt. Um die Investoren bei der tatsächlichen Einleitung des sogenannten "Tapering" zu besänftigen, gewährte US-Notenbankchef Ben Bernanke eine Art Abschiedsgeschenk der besonderen Art. Beim letzten Zinsentscheid seiner Amtszeit legte er sich und seine Nachfolgerin Janet Yellen auf das Versprechen fest, das Zinsniveau im Dollarraum weiterhin nahe Null zu belassen. Der US-Leitzins bleibt demnach noch mindestens bis 2015 auf dem historischen Tiefstand zwischen Null und 0,25 Prozent. Auf diesem Rekordtief liegt er seit Ende 2008, als sich die schwere Finanzkrise ausbreitete.

Euro / US-Dollar
Euro / US-Dollar 1,08

Der Arbeitsmarkt habe sich weiter verbessert, auch wenn die Erwerbslosenquote noch zu hoch sei, begründete Bernanke die Entscheidung. Auch die Risiken durch die von Streit geprägte Haushaltspolitik in den USA seien zurückgegangen. Die Anleihekäufe könnten daher künftig mit angemessener Geschwindigkeit weiter reduziert werden. Dafür gebe es aber keinen Zeitplan. Bernanke sagte, er erwarte dabei "die gleichen moderaten Schritte".

Ihren Ausblick für den Jobmarkt verbesserte die Notenbank leicht. So erwartet sie für Ende 2014 eine Arbeitslosenquote zwischen 6,6 und 6,3 Prozent. Die Fed bekräftigte, den Leitzins frühestens erhöhen zu wollen, wenn die Quote nicht mehr über 6,5 Prozent liegt. Zuletzt betrug sie 7,0 Prozent. Bernanke betonte aber, dass für eine Zinssenkung auch die anderen Daten stimmen müssten. Als eine Gefahr für die Wirtschaft werde die niedrige Inflation unter 2,0 Prozent betrachtet.

Überraschend und sanft

"Die Reduzierung um 10 Milliarden Dollar ist eher ein symbolischer Schritt", so Stratege Adam Klopfensten von Archer Financial Services. "Die US-Notenbank signalisiert den Investoren, dass die Rückführung in kleinen Schritten erfolgen wird", ergänzte Analyst Gary Pollack von der Deutschen Bank. Die starke Bewegung des Aktienmarktes wird vor allem mit verstärkten Short-Eindeckungen begründet, also mit kurzfristig orientierten Umschichtungen in vorsichtigere Positionen.

Nur eine Minderheit von Experten hatte damit gerechnet, dass die Fed bereits jetzt die geldpolitischen Zügel anzieht. Von 43 Volkswirten, die vom "Wall Street Journal" konsultiert wurden, erwarteten nur 11 Experten ein "Tapering", während 30 davon ausgingen, dass die Fed bis zum Beginn des nächsten Jahres warten würde. Gleichwohl galt ein solcher Schritt auf jeden Fall im Bereich der Erwartungen.

Klug geplante Übergabe

Insgesamt beurteilen Beobachter das Vorgehen der Fed unter ihrem scheidenden Notenbankchef als klug geplant und überaus geschickt umgesetzt: Bernanke habe die schwere Aufgabe des Kurswechsels nicht einfach seiner Nachfolgerin überlassen, heißt es. Damit seien große Unsicherheitsfaktoren aus dem Markt verschwunden.

Bei seiner letzten Pressekonferenz als Fed-Präsident zeigte sich Bernanke darum bemüht, alle Sorgen am Markt vor bald steigenden Zinsen zu besänftigen: "Die Wirtschaftserholung ist noch lange nicht abgeschlossen. Die Zinsen bleiben niedrig, selbst wenn die Arbeitslosenquote unter 6,5 Prozent fällt", sagte er wörtlich. Auch für die Zeit nach seinem Abgang als Fed-Chef signalisierte Bernanke deutlich eine wachstumsfreundliche Geldpolitik der Notenbank. Die Ende Januar erfolgende Ablösung an der Fed-Spitze habe keine Rolle gespielt. Seine Nachfolgerin stehe "voll und ganz" zum Beschlossenen.

Das größte Experiment der Geschichte

Nicht überdecken können die erleichterten Reaktionen allerdings, vor welchen großen Herausforderungen die US-Geldpolitik insgesamt steht. Noch niemals zuvor haben Währungshüter Konjunkturhilfen in diesem Ausmaß gewährt.

Sowohl das gigantische Volumen der Wertpapierkäufe als auch das extrem niedrige Niveau der Leitzinsen sind historisch: Für den "Exit" der US-Notenbank aus ihrer Krisenpolitik gibt es keine Blaupausen. Zum Ende seiner Amtszeit leitete Ben Bernanke damit das bislang größte - und mit Abstand kostspieligste - Experiment in der Geschichte der Menschheit ein.

Vom Erfolg hängt dabei nicht nur das Wohlergehen der Vereinigten Staaten ab. Die größte und einflussreichste Volkswirtschaft der Erde bestimmt in weiten Teilen auch die Perspektiven in der Entwicklung der Weltwirtschaft.

Behutsames Vorgehen

Der Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik gilt als eine extrem schwierige Aufgabe. Das Risiko dabei ist, dass die Finanzmärkte und Weltwirtschaft mit Nervosität reagieren und die Konjunktur einen Rückschlag erleidet. Da sich die US-Konjunktur langsam erholt, hatte die Fed aber bereits vor vielen Monaten angekündigt, die Notenpresse auf lange Sicht schrittweise zu drosseln.

Die Entscheidung kam kurz vor dem Ende von Bernankes Amtszeit als Fed-Chef. Ab Februar 2014 soll seine designierte Nachfolgerin Janet Yellen die Zügel in der Hand halten. Die 67-Jährige war bislang Vize-Chefin der Zentralbank.

Dow steigt auf Allzeithoch

Börsianer werteten dies als positives Signal für die Konjunkturentwicklung. An der Wall Street reagierten Anleger deutlich auf die Fed-Entscheidung: Der Dow Jones mit den 30 Standardwerten legte starke 1,8 Prozent zu und hing bei 16.168 Punkten aus dem Handel - und damit so hoch wie nie zuvor. Der breiter gefasste S&P 500 stieg 1,7 Prozent auf das Rekordniveau von knapp 1811 Stellen. An der Nasdaq gewann der technologielastige Composite-Index 1,15 Prozent auf 4070 Zähler.

Das gleiche Bild auch am deutschen Aktienmarkt: Der X-Dax als außerbörslicher Indikator für den deutschen Leitindex sackte nach der Bekanntgabe der geldpolitischen Drosselung zwar kurz etwas ab, zog dann aber mit zuletzt plus 1,4 Prozent auf 9227 Punkte deutlich an. Sein Hoch setzte er bei 9257 Punkten.

Marktexperte Daniel Saurenz von Feingold Research sagte, die geldpolitische Drosselung komme nicht als "hässliches Geschenk" unter den Weihnachtsbaum, "da die Maßnahmen sehr sanft bleiben". Das sollte die Finanzmärkte und besonders Aktieninvestoren stressfrei ins neue Jahr entlassen.

Auch der Dollar reagierte. Während er zum Euro nahezu unverändert notierte, zog er zum australischen Dollar deutlich an. Auch zum Yen bewegte er sich. Der Goldpreis zog ebenfalls an.

Quelle: ntv.de, mmo/bad/rts/DJ/dpa

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