Wirtschaft

Piloten pochen auf "alte Zöpfe" "Eskalationsszenarien sind denkbar"

Reisende der Lufthansa-Tochter Germanwings müssen sich auf Flugausfälle und Verspätungen einstellen. Die Piloten legen die Arbeit nieder.

Reisende der Lufthansa-Tochter Germanwings müssen sich auf Flugausfälle und Verspätungen einstellen. Die Piloten legen die Arbeit nieder.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nach den Lokführern der Bahn sind fast nahtlos die Piloten bei Germanwings in den Streik getreten. Insgesamt 100 von 500 Flügen - überwiegend Inlandsverbindungen - sind seit 12 Uhr gestrichen. Die Flugkapitäne kämpfen weiter um die einheitliche Übergangsrente und Vorruhestands-Konditionen, die es bei Lufthansa seit 50 Jahren gibt. Auch die Kollegen bei der Konzernmutter hatten deshalb in den vergangenen Wochen gestreikt. Aber: Bezahlter Vorruhestand mit 55 und Rente mit 60 - ist das noch zeitgemäß? Cockpit-Sprecher Markus Wahl erklärt, warum es darum gar nicht geht. Im harten wirtschaftlichen Umfeld sei mit der Abschaffung des Systems nichts gewonnen. Dafür will Cockpit auch weiter kämpfen.

n-tv.de: Alte Zöpfe schneidet man ungern ab. Bezahlter Vorruhestand mit 60 statt bislang mit 55 Jahren, reguläres Ausscheiden mit 61 statt mit 58 Jahren: Die Forderungen der Konzernleitung hören sich - für andere Berufsgruppen - nicht nach einer Zumutung an. Sind Piloten etwas Besonderes?   

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Markus Wahl: Es geht nicht darum, dass Piloten etwas Besonderes sind. Es geht auch nicht darum, dass jeder Kollege mit 55 Jahren in die Rente gehen will. Das durchschnittliche Alter liegt heute bei 59 Jahren. Die Leute werden älter und fliegen heute länger. Das heißt, der Schnitt wird wahrscheinlich steigen. Wir fordern aber, dass ein Kollege nach einem anstrengenden Arbeitsleben die Möglichkeit hat, seinen Beruf an den Nagel zu hängen, weil er diese Verantwortung nicht mehr tragen will.

Viele Piloten fliegen nach ihrer Dienstzeit im Lufthansa- oder Germanwings-Cockpit für andere, zum Beispiel arabische Fluglinien weiter. Das sind Möglichkeiten, von denen andere träumen.

Das stimmt. Es gibt vereinzelt Kollegen, die nach ihrer aktiven Karriere nach Lufthansa weitere Angebote annehmen. Das ist aber nicht Sinn und Zweck der Übergangsversorgung. Es geht um das Gros der Kollegen, das sagt, ich kann und möchte das nicht mehr. Diesen Kollegen muss die Möglichkeit des Ausscheidens gegeben werden. Der Knackpunkt bei der Geschichte für uns liegt darin, dass Lufthansa für die neuen Kollegen diese Möglichkeit, wie auch immer man sie ausformuliert, komplett gestrichen werden soll. Eine Spaltung des Personals akzeptieren wir nicht.  

Lufthansa-Chef Carsten Spohr will nicht nur den Konzerngewinn maximieren. Er will Lufthansa fit für den harten Wettbewerb machen und Arbeitsplätze für die Zukunft sichern. Gibt es Punkte, bei denen Sie ihn unterstützen?

Natürlich sehen wir, dass Lufthansa in einer anspruchsvollen wirtschaftlichen Lage steckt. Aber man muss wissen, dass die Übergangsversorgung - und darum geht es - für den Konzern quasi kostenneutral ist. Da gehen Kapitäne mit relativ hohem Gehalt in die Übergangsversorgung und Kollegen rutschen nach, die deutlich weniger verdienen. Insofern sind die Kosten für Lufthansa nicht hoch. Wir haben sogar eine Kostendeckelung angeboten, weil Lufthansa sagt, es wird immer teurer. Und trotzdem bewegt sich Lufthansa hier - so wie bei 14 anderen Punkten - nicht. Da stellt sich die Frage, warum Lufthansa hier mauert.

Ihre Meinung? Warum beißt man sich hier fest?

Ich kann wirklich nur spekulieren. Da mag es um eine Machtdemonstration des Managements gehen. Vielleicht will man auch etwas in Richtung Tarifeinheit erreichen, um den unbequemen Gesprächspartner loszuwerden.

Für die Übergangsversorgung wird eine Milliarde Euro vorgehalten. Das heißt, werden diese Rückstellungen aufgelöst, wäre das für den Konzern mehr als nur ein warmer Geldregen.

Es muss Rückstellungen für diese Kosten geben. Würde man die Übergangsversorgung oder auch nur in Teilen streichen - in die Richtung soll es ja gehen - könnte sich Lufthansa das Geld als "Bonus" zur Ausschüttung an die Aktionäre oder wozu auch immer auf die Fahnen schreiben. Sie werden das Geld nicht dazu nutzen, dem Personal was Gutes zu tun.

Germanwings wirbt mit dem Slogan "Fragt sich, was schöner ist: der Flug oder der Preis". Es wird für etwas mehr Geld etwas mehr Komfort versprochen als bei der Billigkonkurrenz. Das ist ein schwieriger Spagat im Low-Budget-Geschäft. Ist das die richtige Strategie?

Das ist eine berechtigte Frage, inwieweit die Strategie des Managements zukunftsgerichtet ist und inwieweit die Erfolg haben kann. Aber das ist nicht Gegenstand der aktuellen Auseinandersetzung. Wir wären froh, wenn wir auf dieser einen der 15 offenen Tarif-Baustellen eine Lösung kriegen. Damit wir uns endlich mal weiterbewegen können.

Der Konzern wirft Cockpit vor, der Streik richte sich gezielt gegen Familien. In zwei Bundesländern enden die Herbstferien. Ist das beabsichtigt?

Nein, die Aussage, dass wir bewusst Passagiere "strafen" wollen, ist absoluter Quatsch. Leider funktioniert es nicht anders. In dem Moment, wo wir einen Cockpit-Arbeitsplatz bestreiken, bleibt immer ein Flugzeug stehen und immer sind auch Gäste betroffen. Darum geht es uns aber nicht. Wir wollen den Arbeitgeber treffen. Das gelingt uns glaube ich auch. Für die Fluggäste bedauere ich natürlich die Unannehmlichkeiten.

Die Verhandlungen haben sich festgetreten. Sie sagen, Lufthansa habe ihr Angebot seit März nur in minimalen Nuancen geändert. Wie geht es weiter? Sehen wir bald Zustände wie bei Air France - also statt nur punktueller längere Streikperioden?

Grundsätzlich glaube ich, dass die französische Streikkultur für uns kein Vorbild ist und auch kein Vorbild sein kann. Dafür ist unsere Situation auch ganz anders. Sollte sich Lufthansa allerdings auch weiterhin nicht bewegen - das Angebot der Lufthansa ist das gleiche seit März - wird es sicherlich zu weiteren Ausständen kommen. Eskalationsszenarien sind denkbar. Jetzt muss man sehen, wie es weiterläuft.

Die Gewerkschaft von Volkswagen hat ihrer Konzernleitung gerade eine 400 Seiten starke Auflistung der Probleme mit dem dortigen Sparprogramm inklusive Verbesserungsvorschläge vorgelegt. Haben Sie auch noch was in der Hinterhand?

Ich glaube, dass wir in der Vergangenheit in der Diskussion nicht nur bei der Übergangsversorgung, sondern auch was andere Themen angeht, durchaus konstruktive Vorschläge unterbreitet haben. Zum Beispiel: die Deckelung der Kosten. Wir haben quasi eine Kostengarantie gegeben. Das wollte Lufthansa bisher aber nicht hören. Wir waren auf kompromissfähigem Weg unterwegs. Lufthansa war daran nicht interessiert.

Mit Markus Wahl sprach Diana Dittmer.

Quelle: ntv.de

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