Wirtschaft

"EZB-Leitzinssenkung reicht nicht aus" Bofinger fordert große Geschütze

Hübsch, aber geldpolitisch wertlos: Diese Nachbildung eines historischen Geschütz' steht in Nürnberg im Museum als Beispiel für "Goldschmiedekunst aus Meisterhand".

Hübsch, aber geldpolitisch wertlos: Diese Nachbildung eines historischen Geschütz' steht in Nürnberg im Museum als Beispiel für "Goldschmiedekunst aus Meisterhand".

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Geld ist in Europa so billig wie nie. Die Konjunktur kommt allerdings nur sehr langsam in Schwung. Die Inflation geht immer weiter zurück. Der Wirtschaftsweise Bofinger drängt Europas Währungshüter zum Handeln.

Für Verbraucher ist es eine Freude, doch bei Europas Währungshütern und Ökonomen schrillen die Alarmglocken: Die Inflation im Euroraum ist erneut gesunken, im Januar fiel sie auf 0,7 Prozent. Damit ist die Teuerung meilenweit entfernt von der Zielmarke der EZB, die mittelfristig eine Jahresteuerung von knapp 2 Prozent anstrebt. Die Entwicklung überrascht. Die Europäische Zentralbank hatte den Leitzins erst im November auf das Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt.

"Der EZB-Rat sollte sich zu umfangreicheren Wertpapierkäufen durchringen", fordert nun der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Der Ökonom, der die Bundesregierung berät, ist sich sicher: "Damit kann man dafür sorgen, dass es erst gar nicht zu einem Abrutschen des Euro-Raums in die Deflation kommt."

Seine Devise lautet dabei offenbar 'nicht kleckern, sondern klotzen': "Maßnahmen wie eine weitere kleine Zinssenkung oder ein längerfristiges Versprechen, die Leitzinsen extrem niedrig zu lassen - meinetwegen auch verbunden mit einem konkreten Zeitrahmen -, sind alles nur Tropfen auf den heißen Stein in der aktuellen Lage", erklärte Bofinger.

"Wehret den Anfängen ..."

Wenn die Preise auf breiter Front über einen längeren Zeitraum sinken, dann schadet das der Volkswirtschaft schwer, weil Unternehmen und Haushalte dann nicht mehr investieren oder konsumieren und die Konjunktur über kurz oder lang einbricht. Bekanntestes Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist Japan, dem es derzeit erst nach massiven Eingriffen von Regierung und Notenbank zu gelingen scheint, nach mehr als einem Jahrzehnt die Deflation hinter sich zu lassen. "Wehret den Anfängen, auch wenn man dann eventuell etwas überdosiert", meint Bofinger dazu.

Peter Bofinger, Ökonom

Peter Bofinger, Ökonom

(Foto: REUTERS)

Positive Konjunkturdaten aus vielen Euro-Ländern sind nach Ansicht Bofingers kein Gegenargument gegen eine noch laxere Geldpolitik der EZB: "Man darf nicht vergessen, dass wir es nach wie vor mit einer Rekordarbeitslosigkeit in der Eurozone zu tun haben und die Kredite nur sehr spärlich fließen." Sollte die EZB sich dazu durchringen, Wertpapiere zu kaufen, rät er den Notenbankern eine Gewichtung nach der Wirtschaftskraft der Euro-Länder: "Damit sich die EZB nicht dem Vorwurf aussetzt, Staatsfinanzierung der Schulden-Länder zu betreiben." Auf Deutschland entfiele dann der größte Teil.

Doch selbst Staatsanleihen-Käufe könnten nach Ansicht Bofingers im schlimmsten Fall nicht genug sein: "Die größte Gefahr für den Aufschwung im Euro-Raum ist eine weitere Aufwertung des Euro." Ein Anstieg der Gemeinschaftswährung würde seiner Einschätzung nach die deflationären Tendenzen verstärken und alle Bemühungen der Schulden-Länder untergraben, über Kostensenkungen wieder wettbewerbsfähig zu werden. Die EZB müssen deshalb dem Euro-Kurs eine zentrale Bedeutung beimessen und im Fall der Fälle am Devisenmarkt intervenieren. "Ein Anstieg auf 1,40 Dollar oder darüber hinaus sollte sie mit allen Mitteln verhindern."

Leitzins weiter runter?

Marktexperten halten aber auch einen weiteren Zinsschritt für möglich: Der Zinsschritt im November als Reaktion auf den mickrigen Preisauftrieb ist schon verpufft. "Wir sind weiterhin überzeugt, dass die Kerninflation mittelfristig deutlich niedriger ausfallen wird als derzeit von der EZB unterstellt. Daher dürfte die Notenbank letztlich noch einmal die Leitzinsen senken", sagt zum Beispiel Commerzbank-Ökonom Michael Schubert.

Die Frage ist nur, wann. Beobachter schließen nicht aus, dass die Notenbank schon bei ihrer Ratssitzung am Donnerstag handelt, als wahrscheinlicher gilt aber die März-Sitzung. Dann veröffentlichen die Währungshüter ihre neuesten Wachstums- und Inflationsprognosen. Bisher erwartet die EZB im laufenden Jahr eine Teuerung von 1,1 Prozent. Die Commerzbank glaubt, dass die Inflation im Februar und im März auf 0,6 Prozent fallen wird - den niedrigsten Stand seit Ende 2009. Danach werde sie aber wieder anziehen.

Draghi ist bereit

Dabei scheint klar: Wenn die Aussichten auf die Preisentwicklung nochmals nach unten korrigiert werden, dürfte die EZB die Geldpolitik weiter lockern. Das hatte EZB-Präsident Mario Draghi schon im Januar angedeutet: "Der EZB-Rat ist entschlossen zu handeln, wenn dies nötig wird." Draghi betonte, dass die EZB die Preisstabilität in beide Richtungen verteidigen müsse - also auch, wenn sich die Rate zu weit nach unten von der zwei-Prozent-Zielmarke entfernt.

Dabei wissen die Notenbanker, dass der Preisauftrieb zum einen von sinkenden Energiepreisen gedämpft wird, zum anderen von den notwendigen Anpassungsprozessen in den Krisenländern. "Die sehr niedrigen oder gar negativen Inflationsraten in der Peripherie spiegeln sinkende Nominallöhne wider", erklärt Unicredit-Ökonom Marco Valli. Diese seien nötig, damit die Krisenländer wieder wettbewerbsfähig werden.

Nach Berechnungen der Berenberg Bank haben allein die gesunkenen Energiepreise die Inflation um bis zu 0,6 Prozentpunkte gedrückt. Darin kann Chefvolkswirt Holger Schmieding keine Gefahr für die Wirtschaft erkennen, im Gegenteil: "Für eine Region, die Energie größtenteils importiert, ist das eine absolut gute Entwicklung. Sie erhöht das verfügbare Einkommen und erleichtert es Haushalten und Unternehmen, ihre Schulden zu bezahlen."

Ohnehin rufe der geringe Preisauftrieb bei den Menschen keine Deflationsängste hervor, betont Unicredit-Chefvolkswirt Eric Nielsen: "Stattdessen freuen sie sich über den günstigen Sprit." Das zeige die historisch gute Verbraucherstimmung.

Quelle: ntv.de, bad/dpa/rts

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