Wirtschaft

Lauschangriff auf Währungshüter? EZB nutzt Verizon-Netze

Neubau mit exzellentem Ausblick: Wer die IT der Zentralbank betreibt, kann auf eine Menge Daten zugreifen.

Neubau mit exzellentem Ausblick: Wer die IT der Zentralbank betreibt, kann auf eine Menge Daten zugreifen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wie sicher sind die IT-Netze der Europäischen Zentralbank? Offenbar betreut ein umstrittener US-Konzern auch einen Teil der Frankfurter Zentralbank-Server. Genau diesem Dienstleister hatten Bundestag und Bundesregierung erst kürzlich gekündigt - aus Angst vor der NSA.

Die Europäische Zentralbank (EZB) nutzt nach einem Medienbericht Internetzugänge des umstrittenen US-Telekomkonzerns Verizon. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" ist die deutsche Tochter des US-Unternehmens seit 2004 für einen Teil der IT-Infrastruktur bei der EZB verantwortlich. Dazu zählten auch E-Mails, jedoch nicht der Telefonverkehr.

Das Vertragsverhältnis wirft ernste Fragen auf: Als US-Konzern steht Verizon unter dem Verdacht, unter Zwang große Datenmengen an den US-Geheimdienst NSA übermitteln zu müssen. Vor kurzem erst hatten die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag beschlossen, genau aus diesem Grund künftig im Betrieb der internen Kommunikationsnetze auf eine Zusammenarbeit mit Verizon zu verzichten.

Für die Bundesregierung hatte das Innenministerium angekündigt, der Vertrag mit dem US-Unternehmen für einen Teil des Kommunikationsnetzes des Bundes werde beendet. Für einen anderen Bereich ist schon jetzt die Deutsche Telekom zuständig. Diese betreibt Server und Leitungsinfrastruktur ausschließlich in Deutschland.

"kein sicherer Übertragungsweg"

Experten zufolge ist damit der geheimdienstliche Zugriff durch fremde Mächte von außen deutlich erschwert. Außerdem untersteht die Telekom beim Betrieb der Anlagen in Deutschland nicht der US-Rechtsprechung, die unter dem Argument der Terrorabwehr großzügige Eingriffe der staatlichen Überwachungsstellen gestattet.

Den Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden zufolge wird Verizon von US-Behörden zu einer umfassenden Information über Verbindungsdaten von Kunden gezwungen. Die deutsche Verizon-Tochter betonte allerdings, sie halte sich an deutsches Recht.

In einer Stellungnahme der EZB hieß es, Mitarbeiter der Zentralbank würden "grundsätzlich keine vertraulichen Dokumente über das Internet" versenden. Man gehe davon aus, dass es "keinen sicheren Übertragungsweg gibt", zitierte die "SZ" einen EZB-Sprecher.

Unabhängig von der Debatte um Vertraulichkeit und Datensicherheit in der europäischen Geldpolitik zeichnen sich an einer ganz anderen Großbaustelle weitere Verzögerungen ab. Der EZB-Neubau im Frankfurter Stadtteil Ostendwird erst 2015 eröffnet.

Proteste zum Umzug?

"Wir werden voraussichtlich im November mit dem Umzug beginnen, aber die Feierlichkeiten werden sicher nicht mehr 2014 stattfinden, sondern im nächsten Jahr", erklärte Benôit Coeuré aus dem EZB-Direktorium der "Süddeutschen Zeitung". Eine EZB-Sprecherin bestätigte den Umzug Ende 2014. Mit der Eröffnungszeremonie werde es wohl erst im kommenden Jahr etwas, sagte sie auf Nachfrage und betonte: "Es verläuft aber alles nach Plan."

Die Ungenauigkeiten im Zeitplan stellen das Lager EZB-kritischer Aktivisten vor ganz neue Schwierigkeiten. Anhänger der kapitalismuskritischen Blockupy-Bewegung waren bislang davon ausgegangen, dass sie ihre Proteste im Herbst organisieren müssen. Mischa Aschmoneit vom Blockupy-Bündnis kündigte nun per Mitteilung an: "Wir werden die Eröffnungsfeier der EZB auch im neuen Jahr wie geplant mit massenhaften Aktionen zivilen Ungehorsams stören." Für die EZB-Eröffnungsfeier plant Blockupy demnach eine Mobilisierung zum "Tag X", wie sie auch aus der Anti-Castor-Bewegung bekannt ist. Die Geldpolitik der EZB bleibt von den offenen Terminfragen zum Einzug unberührt.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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