Wirtschaft

Massenweise Anleihekäufe erlaubt EZB darf grundsätzlich loslegen

Alles aus Angst vor der Rückkehr der Euro-Krise.

Alles aus Angst vor der Rückkehr der Euro-Krise.

(Foto: picture alliance / dpa)

Im Sommer 2012 verspricht EZB-Chef Draghi, alles zu tun, um die Eurozone zu retten - notfalls auch Anleihen von Krisenstaaten zu kaufen. Rechtlich begibt er sich damit auf dünnes Eis. Zweieinhalb Jahre später bekommt er Rückendeckung vom EuGH.

EZB-Chef Mario Draghi dürfte zufrieden sein.

EZB-Chef Mario Draghi dürfte zufrieden sein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mit der Zeit scheint fast alles möglich zu sein, auch ein "Grexit" oder Anleihekäufe von Krisenstaaten. Vor ein paar Jahren war der Austritt Griechenlands aus der Eurozone praktisch undenkbar. Es kam einem Todesstoß für die Währungsunion gleich. Der Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB zur Stützung notleidender Staaten - das sogenannte OMT-Programm - galt ebenfalls als tabu. Nach dem historischen Versprechen von EZB-Chef Mario Draghi, alles zu tun, um den Euro zu retten, sprachen Kritiker von klarer Kompetenz-Übertretung der Notenbank. Heute erscheinen alle diese Szenarien in einem anderen Licht. 

Nach Ansicht des Gutachters am Europäischen Gerichtshof (EuGH) darf die EZB grundsätzlich durchaus massenweise Staatsanleihen kaufen. Ein entsprechendes Programm sei rechtmäßig, schrieb der einflussreiche Experte in seiner Empfehlung (Rechtssache C-62/14) in Luxemburg. Voraussetzung sei allerdings, dass die EZB solche Käufe gut begründe und diese verhältnismäßig seien. Sein Gutachten gilt als Vorentscheidung. Die letztendlich gültige Entscheidung wird das Gericht voraussichtlich im Herbst treffen.

OMT ist bislang reine Theorie

Geprüft wird in Luxemburg der EZB-Beschluss von 2012, notfalls unbegrenzt Anleihen von notleidenden Euro-Krisenstaaten zu kaufen, um diese zahlungsfähig zu halten. Das Besondere am OMT-Programm ("Outright Monetary Transactions") ist, dass die EZB es nie genutzt hat bzw. nutzen musste.

Vor zweieinhalb Jahren stand die Eurozone vor der Zerreißprobe. Ungewöhnliche Zeiten - ungewöhnlicher Maßnahmen. Um die Wogen an den aufgewühlten Finanzmärkten zu glätten, sah sich Draghi gezwungen, Zeichen zu setzen. Er entschied sich zu einem weitreichenden Versprechen: "Die EZB ist bereit, im Rahmen ihres Mandats alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten." Wenig später ließ die Notenbank den Worten einen Beschluss folgen - gegen den Widerstand von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Sie wollte unter bestimmten Bedingungen und notfalls unbegrenzt Anleihen von Euro-Krisenstaaten zu kaufen - das OMT-Programm wurde aus der Taufe gehoben.

In der Folge befasste sich das Bundesverfassungsgericht mit der Angelegenheit. Im Februar 2014 kam es zu dem Schluss, die EZB habe mit dem OMT-Beschluss ihre Kompetenzen überschritten: Die EZB dürfe nach den europäischen Verträgen keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben. Außerdem war das Verfassungsgericht der Meinung, der OMT-Beschluss verstoße gegen das Verbot einer Mitfinanzierung von Staatshaushalten. Karlsruhe gab das Thema daraufhin zur Klärung an den EuGH.

Ein Licht im Fenster - das Zeichen genügte

Bisher hat die EZB lediglich Anleihen vom Sekundärmarkt aufgekauft, aber keine einzige Anleihe direkt von Staaten, das OMT-Programm ist damit bisher Theorie geblieben. Die Finanzmärkte haben das Zeichen, das die EZB damals setzen wollte, offenbar verstanden. Denn die Wogen glätteten sich daraufhin. Dass diese symbolische Geste wichtig war und funktioniert hat, räumen heute sogar Kritiker ein. Draghis Versprechen und das OMT-Programm gelten rückblickend als Wendepunkt in der Staatsschuldenkrise.

Allerdings hat der Handlungsdruck auf die EZB zuletzt wieder zugenommen. "Grexit"-Debatte, sinkende Verbraucherpreise und kein Ende des Ölpreisverfalls in Sicht: Seit Wochen bereiten die Währungshüter bereits den massenweisen Erwerb von Unternehmens- und Staatsanleihen vor. Das Gutachten des Generalanwalts hat insofern Signalwirkung. Viele Volkswirte erwarten eine Entscheidung für eine solche Maßnahme. Die Zentralbank könnte möglicherweise schon am 22. Januar Hunderte Milliarden in die Wirtschaft pumpen.

Über eine QE-Ma0nahme ("Quantitative Easing") entscheiden die Luxemburger Richter nicht - die EZB hätte bis zu dem Urteil des EuGH längst Fakten geschaffen.

Verschlimmert die EZB nur die Krise?

Als umstritten gelten die Staatsanleihenkäufe durch die EZB, weil Kritiker meinen, die Notenbank finanziere so letztlich Staatsschulden mit der Notenpresse. Die EZB mache sich damit abhängig von den jeweiligen Staaten und gefährde ihre Unabhängigkeit gegenüber den Regierungen. Zudem lähme es die Reformbereitschaft, wenn sich Staaten darauf verließen, dass es notfalls die EZB richten werde.

Die EZB hält dagegen: "Ziel und Instrument sind mandatskonform." So hieß es in der mündlichen Verhandlung in Luxemburg Mitte Oktober. EZB-Anwalt Hans-Georg Kamann betonte, das Geldinstitut gehe sehr sorgfältig vor: "Die Feuerwehr löscht das brennende Haus und unter Umständen angrenzende Häuser. Dies schützt das ganze Viertel. Genauso schützt die EZB durch spezifischen Staatsanleihenkauf effektiv den ganzen Euroraum."

Für das Urteil im Urteil gehen die meisten Experten davon aus, dass die Luxemburger Richter der Empfehlung des Gutachters folgen und Draghi den Rücken für seinen Anti-Krisen-Kurs stärken und das OMT-Programm durchwinken werden. Sollte der EuGH das OMT-Programm entgegen allen Erwartungen doch kippen, dann wären den Währungshütern bei dieser Maßnahme künftig die Hände gebunden.

Allerdings könnte der Gerichtshof nur bestimmte Vorgaben für Anleihekäufe machen, etwa zu Umfang oder Dauer. Der CSU-Politiker Peter Gauweiler, einer der Kläger, hatte im vergangenen Jahr jedoch darauf hingewiesen, mit einem EuGH-Urteil sei "der Rechtsstreit definitiv nicht entschieden". Das Bundesverfassungsgericht müsste sich erneut mit der Frage beschäftigen.

Quelle: ntv.de, ddi/dpa

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