Wirtschaft

Megafusion mit BAE wird torpediert EADS muss kämpfen

Prototyp der Tarnkappen-Kampfdrohne Taranis von BAE Systems: Großbritannien fürchtet bei einer Fusion von BAE mit EADS um die gerade eingeläutete eigene "Industrie-Renaissance".

Prototyp der Tarnkappen-Kampfdrohne Taranis von BAE Systems: Großbritannien fürchtet bei einer Fusion von BAE mit EADS um die gerade eingeläutete eigene "Industrie-Renaissance".

(Foto: picture alliance / dpa)

Die geplante Fusion von EADS und der britischen BAE Systems stößt auf Kritik in mehreren Regierungslagern. Vom "Beigeschmack eines überraschenden Militärschlages" spricht gar die Londoner "Financial Times". Die politischen Hürden könnten zum Stolperstein für das Megaprojekt werden. Die Anleger reagieren prompt.

Bereits vorbei, bevor es richtig begonnen hat? Die Fusionspläne von Europas Luft- und Raumfahrtkonzern EADS mit der britischen BAE Systems zum globalen Rüstungsgiganten stoßen auf Vorbehalte der Bundesregierung. "Es ist fraglich, ob der Konstruktionsvorschlag überhaupt zustimmungsfähig ist", hieß es aus Regierungskreisen. Sie fürchten ein Schwinden des deutschen Einflusses in einem neuen Großkonzern. Die Börsen reagierten skeptisch, ob die politischen Hürden in London, Paris und Berlin genommen werden können, weil alle drei Regierungen neben den Kartellbehörden mitmischen. Die Kurse von EADS und BAE stürzten ab.

Der EADS-Konzern widersprach heftig. "Maßgeblich für uns sind die offiziellen Äußerungen der Regierung, dass wir konstruktive Gespräche führen", sagte ein EADS-Sprecher. "Äußerungen anonymer Heckenschützen sind für uns nicht relevant und spiegeln unseren konstruktiven Dialog mit der Regierung nicht wider."

Ein Sprecher im Bundeswirtschaftsministerium hatte zuvor erklärt: "Die Bundesregierung ist über die Fusionsverhandlungen informiert. Wir sind um Unterstützung dieser Fusion gebeten worden." In Regierungskreisen hieß es weiter, es würden konstruktive Gespräche geführt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), "Weiteres wird geprüft, das ist ja heute auch schon erklärt worden aus verschiedenen Stellen der Bundesregierung".

Anleger bekommen kalte Füße

Zu einem regelrechten Absturz kam es für EADS und BAE Systems an den Finanzmärkten. An den Börsen in Paris und Frankfurt verloren die EADS-Aktien mehr als 10 Prozent. In London verloren BAE mehr als 7 Prozent. Die französische Regierung äußerte sich zurückhaltend. Der Staat werde zu gegebener Zeit Stellung nehmen, erklärte Wirtschaftsminister Pierre Moscovici.

Die Airbus-Mutter EADS und BAE hatten am Mittwoch Gespräche bestätigt. Aus dem Zusammenschluss entstünde der weltweit größte Konzern der Rüstungsbranche mit einem Umsatz von annähernd 75 Mrd. Euro und mehr als 220.000 Beschäftigten, wobei EADS auf rund 135.000 und BAE Systems auf mehr als 90.000 Mitarbeiter kommt. Bislang trägt das Zivilgeschäft bei EADS wegen der starken Airbus-Tochter noch zwei Drittel zum Umsatz bei.

EADS beschäftigt in Deutschland fast 50.000 Mitarbeiter. Während im Norden der Airbus-Flugzeugbau mit dem Hauptwerk in Hamburg vorherrscht, sind im Süden die Rüstungsstandorte beheimatet. Die IG Metall sieht durch eine mögliche Fusion keine Nachteile für Arbeitsplätze in Deutschland.

Laut BAE würde EADS im Konzern mit 60 Prozent die Mehrheit der Anteile erhalten. In einem der Nachrichtenagentur dpa vorliegenden internen Schreiben an die Mitarbeiter betont EADS-Chef Tom Enders: "Gemeinsam würden wir ein weltweit führendes Unternehmen der Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie schaffen." Der Chef der größten EADS-Tochter Airbus, Fabrice Brégier, meinte in einem internen Schreiben, durch eine solche Fusion blieben die Arbeitsabläufe des europäischen Flugzeugbauers unberührt.

Gelassenheit herrschte beim EADS-Rivalen, dem US-Flugzeugbauer und Rüstungskonzern Boeing. "Ich sehe nicht, dass uns das fundamental schaden wird", sagte Boeing-Chef Jim McNerney.

Alle Konsequenzen prüfen

Die mögliche Fusion könnte aber Auswirkungen auf den geplanten Verkauf von EADS-Anteilen durch den EADS-Großaktionär Daimler haben. Weil bei einem Zusammenschluss der Aktionärspakt zwischen Deutschland und Frankreich abgelöst werden soll, könnte Daimler seine Aktien am freien Markt verkaufen, sagte ein Daimler-Sprecher am Donnerstag auf Anfrage. Es müsse dann nicht mehr sichergestellt werden, dass der Stimmrechtsanteil zwischen beiden Ländern ausgeglichen bleibt.

Bislang war ein Verkauf von 7,5 Prozent der Daimler-Anteile an die staatliche KfW-Bankengruppe bis Jahresende vorgesehen. Statt des bestehenden Aktionärspaktes sei im Fall der Übernahme geplant, dass die französische, deutsche und britische Regierung Sonderaktien erhalten, also sogenannte Goldene Aktien, um ihre Interessen zu wahren und feindliche Übernahmen im sensiblen Rüstungsbereich zu verhindern. Diese Aktien stoßen auf Skepsis: "Neben der europarechtlichen Frage der Zulässigkeit ist es die Frage, welchen Wert eine solche Ausgestaltung überhaupt hat", hieß es aus Regierungskreisen.

Die Pläne haben auch noch nicht die Zustimmung des französischen EADS-Großaktionärs Arnaud Lagardère. Alle Konsequenzen müssten geprüft werden, ließ der Unternehmer und EADS-Chefkontrolleur mitteilen. Das Projekt sei dem EADS-Verwaltungsrat offiziell noch nicht vorgelegt worden.

Die britischen Medien schlossen sich der kritischen Linie an. "BAE Systems, der größte Industrie-Arbeitgeber im Land, will sich an die französisch-deutsche Gruppe EADS verkaufen", meinte der linksliberale "Guardian". Der "Independent" kritisierte: "Gerade als Großbritanniens Industrie-Renaissance starten soll, fällt unser strategisch wichtigstes Unternehmen einem Konkurrenten aus Europa in die Arme." Vom "Beigeschmack eines überraschenden Militärschlages" sprach die "Financial Times".

Quelle: ntv.de, dpa

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