Wirtschaft

Finanzsystem ist verwundbar Draghi steht für weitere Einsätze bereit

Mario Draghi (r), Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), und sein Stellvertreter Vitor Constancio im Anschluss an eine Pressekonferenz im Juli. Diesmal sind sie getrennt unterwegs.

Mario Draghi (r), Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), und sein Stellvertreter Vitor Constancio im Anschluss an eine Pressekonferenz im Juli. Diesmal sind sie getrennt unterwegs.

(Foto: picture alliance / dpa)

Eine Woche vor der EZB-Sitzung zeigen die Währungshüter wieder Flagge. Vize Constancio warnt vor den schlummernden Risiken für die Finanzwirtschaft und EZB-Chef Draghi signalisiert allumfassende Bereitschaft, gegen Konjunkturflaute und Inflation zu kämpfen.

Ein neuer Börsencrash, ertragsschwache Banken und der immer stärker wachsende Schattenbankensektor sind nach Ansicht der Europäischen Zentralbank (EZB) die größten Risiken für die Stabilität des Finanzsystems in der Währungsunion. Zwar sei der Stress, dem die Finanzwirtschaft in den 18 Euro-Ländern ausgesetzt sei, aktuell so gering wie zuletzt vor Ausbruch der Finanz- und Bankenkrise 2007, sagte EZB-Vizepräsident Vitor Constancio in Frankfurt bei der Veröffentlichung des jährlichen Finanzstabilitätsberichts der Europäischen Zentralbank. Doch unter der ruhigen Oberfläche schlummerten enorme Risiken gepaart mit der schwachen Konjunkturentwicklung, der extrem niedrigen Teuerung und hoher Arbeitslosigkeit.

Preisstabilität hat Priorität

Constancio räumte ein, dass aktuelle und mögliche künftige geldpolitische Maßnahmen der EZB die Risiken im Finanzsystem erhöhen könnten. "Aber wir haben ein hierarchisches Mandat", sagte der Portugiese. "Preisstabilität kommt ganz oben und vor allem anderen. Wir sind nicht für die Kontrolle der Preise von Vermögenswerten zuständig, sondern für die Kontrolle der Teuerung von Produkten und Dienstleistungen. Das steht so im EU-Vertrag. Wer das ändern will, der muss den Vertrag ändern."

Sollten die Maßnahmen zum Schutz der Preisstabilität - etwa der Kauf von Wertpapieren oder künftig sogar der massenhafte Aufkauf von Staatsanleihen - das Finanzsystem treffen, müsste mit anderen Mitteln reagiert werden als mit den Instrumenten der Geldpolitik. EZB-Präsident Mario Draghi und Constancio haben in den vergangenen Tagen bereits die Tür für den Aufkauf von Staatsanleihen weit geöffnet. Dadurch würde die EZB noch mehr Geld drucken in der Hoffnung, so die Konjunktur anzukurbeln.

Draghi in Finnland

Am Donnerstag bekräftigte Draghi noch einmal die Bereitschaft der EZB zu weiteren Maßnahmen im Kampf gegen die Konjunkturflaute und die zu niedrige Inflation. Der gesamte Rat sei zu weiteren außergewöhnlichen Maßnahmen bereit, sagte er vor dem finnischen Parlament in Helsinki. Zur Ausgestaltung der möglichen neuen Maßnahmen machte Draghi mit Verweis auf die Schweigeperiode vor der Zinsentscheidung der EZB in der kommenden Woche keine Angaben.

Der oberste Währungshüter wies in seiner Rede wieder darauf hin, dass die EZB ihre Bilanz auf den Stand von Anfang 2012 ausweiten kann. Das würde bedeuten, dass die Notenbank mit ihren beschlossenen Maßnahmen etwa eine Billion Euro in den Markt pumpen wird. Die Bilanzausweitung werde zu einer konjunkturellen Erholung und zu der von der EZB anvisierten Inflationsrate von knapp zwei Prozent beitragen, so Draghi.

Experten bezweifeln aber, dass die anvisierte Bilanzausweitung im Rahmen der bisher beschlossenen Maßnahmen gelingen wird. Sie rechnen bereits gemeinhin mit einem umstrittenen Kauf von Staatsanleihen durch die EZB im kommenden Jahr.

Problemsektor Schattenbanken

In Frankfurt warnte derweil EZB-Vize Constancio vor dem seit Jahren wachsenden Schattenbankensektor, der vor allem aus Investmentfirmen und Hedgefonds besteht. Dieser stehe in Europa inzwischen bereits für 60 Prozent der Werte des gesamten Bankensystems. Wegen der in den vergangenen Jahren angezogenen Daumenschrauben für die Banken durch die Aufseher, wandern mehr und mehr Investments in dieses weitgehend unregulierte Geschäft.

Sorgen bereitet der EZB auch nach wie vor die Ertragsschwäche der Banken in der Euro-Zone sowie die weiterhin enge Verknüpfung von Banken und Staaten. "Insbesondere bleibt die Versorgung mit Bankkrediten trotz der Unterstützung durch die EZB schwach." Die EZB versucht, seit September mit speziellen Geldspritzen den Banken unter die Arme zu greifen und so die Kreditklemme in Teilen der Währungsunion zu beheben.

Quelle: ntv.de, ddi/rts/dpa

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