Wirtschaft

Neues Tabakwerk in Dresden Die Zigarettenindustrie boomt

Der klassische Glimmstängel beschert den Tabakkonzernen immer noch Milliardengewinne.

Der klassische Glimmstängel beschert den Tabakkonzernen immer noch Milliardengewinne.

(Foto: imago stock&people)

Angesichts des globalen Kampfes gegen das Rauchen, Werbeverboten und teuren Klagen von Krebsopfern galt die Branche als erledigt. Doch die Gewinne von "Big Tobacco" sprudeln mehr denn je. Vor einer rauchfreien Zukunft hätten sie keine Angst, behaupten die Konzerne.

Zigaretten sind so ungesund wie eh und je, die Zahl der Raucher sinkt seit Jahren - doch den globalen Konzernen hinter den Glimmstängeln geht es so gut wie lange nicht mehr. Die Geschäfte für "Big Tobacco" laufen blendend. Anders als mitunter suggeriert, ist der Boom dem Verkauf klassischer Tabak-Produkte geschuldet und keineswegs neuen Alternativen wie E-Zigaretten.

Diese steuern bislang relativ wenig zu den Einnahmen bei. Allerdings treiben Konzerne das Geschäft voran. Am heutigen Montag kündigte der Tabakkonzern Philip Morris an, rund 300 Millionen Euro in den Bau einer neuen Fabrik in Dresden zu investieren. Von 2019 an sollen rund 500 Beschäftigte Tabaksticks für E-Zigaretten produzieren.

Die kontroverse Branche erlebt seit Längerem ein fulminantes Comeback - bei den großen Tabak-Konzernen zeigen Erlöse, Gewinne und Aktienkurse steil nach oben. Das ist durchaus erstaunlich, denn zwischenzeitlich galt die Zigarettenindustrie schon als abgeschrieben. Teure Rechtskonflikte wegen angeblicher Verschleierung der Risiken des Rauchens, strengere staatliche Vorschriften, Werbeverbote und gesundheitsbewusstere Verbraucher in vielen Ländern - das große Geschäft mit Tabak schien längst vorbei.

Die Kritik am Geschäftsmodell hat zwar nicht nachgelassen und die Image-Probleme bestehen fort, doch statt des vielfach prophezeiten Niedergangs gab es in den vergangenen Jahren ein bemerkenswertes Revival. Neue Branchenzahlen des Marktforschers Euromonitor International sprechen eine klare Sprache: Seit 2011 ist der weltweite Verkaufswert, den die Tabakindustrie pro Jahr mit Zigaretten einnimmt, um gut 21 Prozent auf 683,4 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr 2016 gestiegen.

Hersteller verdienen bei Steuererhöhungen mit

Das lag nicht etwa an steigender Nachfrage nach Glimmstängeln. Im gleichen Zeitraum sank die Anzahl der weltweit abgesetzten Zigaretten den Daten von Euromonitor zufolge um gut zehn Prozent von 5,9 auf 5,5 Billionen Stück. Dass die Einnahmen dennoch derart sprudeln, verdanken die Tabakkonzerne vor allem kräftigen Preiserhöhungen. So hat sich die Packung etwa in Deutschland laut Branchenverband DZV seit 2002 von drei auf sechs Euro verteuert. Auch in den USA hat sich der Durchschnittspreis in diesem Zeitraum ungefähr verdoppelt.

Die Branche verweist auf die steigende Besteuerung ihrer Produkte und tatsächlich machen erhöhte Abgaben an den Fiskus einen großen Teil der Preisanstiege aus. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. "Jedes Mal, wenn die Steuern steigen, legt die Tabak-Industrie noch etwas extra drauf. Dadurch wachsen auch die Profitspannen", sagt Jennifer Maloney, die den Markt für das "Wall Street Journal" unter die Lupe genommen hat. Von 2006 bis 2016 hätten die jährlichen Gewinne der US-Tabakkonzerne um 77 Prozent auf 18,4 Milliarden Dollar zugelegt.

Das sind Zahlen, die die Börse in Verzückung versetzen. "Tabak-Aktien haben sich als perfektes Investment für geduldige Investoren erwiesen", so Händler und Marktexperte Alan Farley. Beträchtliche Dividenden und eine schier "endlose Serie" neuer Höchststände machten die Papiere der Tabakkonzerne attraktiv. Zum Vergleich: Der Branchenindex S&P 500 Tobacco hat in den letzten zehn Jahren um 178 Prozent zugelegt. Der breiter abgesteckte US-Leitindex S&P 500 stieg in dieser Zeit nur um knapp 60 Prozent.

Konzerne werben weiter fürs Rauchen

Finanzprofi Farley ist sich jedoch im Klaren darüber, wie umstritten Tabak-Aktien sind: "Natürlich, in eine solch kontroverse Industrie zu investieren, kommt nicht für jeden infrage - insbesondere, wenn nahestehende Personen den Preis für Nikotinabhängigkeit bezahlt haben." Auch innerhalb der Branche ist man sich der Imageprobleme bewusst und bemüht sich, aus der Schmuddelecke zu kommen. Andre Calantzopoulos, der Chef des internationalen Tabakriesen Philip Morris, sorgte im vergangenen Herbst für Aufsehen, als er in einem Radio-Interview orakelte, die Tage der klassischen Zigarette seien gezählt. "Ich glaube, dass schon bald der Zeitpunkt kommen wird, an dem wir das Ende der Zigaretten-Ära einläuten", sagte der Lenker des Marlboro-Konzerns der britischen BBC.

Und die Deutschland-Chefin von Philip Morris, Stacey Kennedy, sagte jetzt in Dresden mit Blick auf die neue Fabrik für Tabaksticks für E-Zigaretten: "Die Investition ist ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg in eine rauchfreie Zukunft."

Der klassische Glimmstängel als Auslaufmodell? Die florierenden Geschäfte der Branche lassen daran zweifeln. "Philip Morris behauptet, sich in Richtung einer Zukunft ohne Zigaretten zu bewegen, doch wie andere Tabak-Konzerne wirbt das Unternehmen weiterhin aktiv für das Rauchen rund um den Globus", kritisierte Deborah Arnott von der Anti-Rauch-Initiative Ash. Philip Morris und andere Branchengrößen wie British American Tobacco oder Japan Tobacco International testen zwar inzwischen Tabakverdampfer, die viel gesünder sein sollen als klassische Zigaretten. Ob daraus jemals eine ernsthafte Alternative wird, bleibt jedoch abzuwarten.

Quelle: ntv.de, Hannes Breustedt, dpa

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