Wirtschaft

Aktienkurs trotzt der Gewinnwarnung Deutsche Bank erschreckt Anleger

Der erste Schreck ist überwunden: Die Milliardenabschreibungen seien auf den zweiten Blick "weniger dramatisch", heißt es.

Der erste Schreck ist überwunden: Die Milliardenabschreibungen seien auf den zweiten Blick "weniger dramatisch", heißt es.

(Foto: dpa)

Die milliardenschwere Warnung kommt überraschend, die Einbußen an der Börse fallen glimpflich aus: Obwohl die Deutsche Bank auf ein rekordhohes Minus zusteuert, reagieren Experten überraschend gelassen.

Der Börsentag nach der Gewinnwarnung von Deutschlands größtem privaten Kreditinstitut beginnt für die Anleger der Deutschen Bank vergleichsweise stabil: Der Aktienkurs büßt zum Auftakt in Frankfurt zunächst lediglich 2,7 Prozent ein. Im vorbörslichen Geschäft war zeitweise von Verlusten von bis zu 10 Prozent die Rede.

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Die in den USA gehandelten Anteilsscheine der Deutschen Bank hatten nachbörslich vorübergehend rund 7 Prozent nachgegeben. Im späten Handel bei Lang & Schwarz sackten die Papiere zeitweise bis auf 22,90 Euro ab. In Frankfurt hatten sie am Vorabend vor der Ankündigung bei 25,48 Euro geschlossen. Vor allem der Ausblick auf eine gekürzte oder gar gestrichene Dividende dürfte belasten, hieß es.

Mehr verdient als erwartet?

Branchenkenner nehmen die Gewinnwarnung entspannter auf: Die Milliardenabschreibungen seien "weniger dramatisch", als es auf den ersten Blick aussehe, erklärte Analyst Heino Ruland von ICF Bank in einer ersten Einschätzung. Per Saldo scheine das Ergebnis im dritten Quartal sogar etwas über den Markterwartungen zu liegen. Mit den Abschreibungen von rund 5,8 Milliarden Euro auf die Postbank und zwei Sparten, den 0,6 Milliarden Euro auf die Hua Xia Bank und weiteren 1,2 Milliarden Rückstellungen für Rechtskosten ergäben sich rund 7,6 Milliarden Euro.

Allerdings werde die Bank nur einen Quartalsverlust von 6,2 Milliarden Euro nach Steuern ausweisen. "Damit haben sie im Quartal rund 1,4 Milliarden Euro verdient, was sogar über den Schätzungen liegt", betonte Ruland. Die Konsenserwartungen hätten nur bei gut 1,3 Milliarden Euro gelegen. Die Kernkapitalquote dürfte bei rund 11 Prozent liegen, was immer noch ordentlich sei. Zudem seien die Abschreibungen auf Postbank und Hua Xia Bank lediglich "Goodwill", der nach den neuesten regulatorischen Anforderungen vorgenommen worden sei.

Bei allen Abschreibungen sei zu vermuten, dass die zugrundeliegenden Annahmen sehr scharf ausgefallen seien, um endgültig mit den Fehlern des alten Vorstandes aufzuräumen. Positiv komme hinzu, dass es sich um nicht-cash-wirksame Abschreibungen handelt. Lediglich die Höhe der Rückstellungen für Rechtskosten liege über den Erwartungen. Unter dem Strich erwartete Ruland daher die tiefsten Kurse der Aktie nach einer Schreckreaktion des Marktes bereits im frühen Handel.

John Cryan räumt auf

Der Grund für den großen Wirbel: Der neue Deutsche-Bank-Chef John Cryan greift härter durch als erwartet. Um die Bank unbelastet in die "Strategie 2020" starten zu lassen, räumt der Brite in der Bilanz radikal auf. Das führt im dritten Quartal vor und nach Steuern zu einem Rekordverlust von rund sechs Milliarden Euro, wie das Institut am Mittwochabend überraschend mitteilte.

Auslöser des rekordhohen Milliardenminus' - mehr als zu Zeiten der Finanzkrise - sind nicht nur massive Abschreibungen auf das Investmentbanking und das Privatkundengeschäft. Beide Sparten stehen vor tiefen Einschnitten. Die Bank muss abgesehen davon erneut viel Geld für Rechtsstreitigkeiten zur Seite legen. Die Dividende für 2015 könnte deshalb ganz oder teilweise ausfallen.

Profianleger reagierten noch am Vorabend mit großer Vorsicht: Im nachbörslichen Handel ging der Aktienkurs auf Talfahrt. Cryan hatte im Juli die Nachfolge des glücklosen Anshu Jain angetreten, nachdem dieser das Vertrauen der großen Investoren verloren hatte. Die Geldgeber waren unzufrieden, weil die Rendite schwach und kein Ende der unzähligen Skandale absehbar war. Viele internationale Konkurrenten seien "längst davongezogen", heißt es.

Umbau mit Schmerzen

Im Kern sieht die neue Strategie eine deutliche Schrumpfkur für das Geldhaus vor. In Zeiten strengerer Regulierung könne sich das Geldhaus seine riesige Bilanz nicht mehr leisten, lautet die Überlegung. Jain hatte die neue Strategie noch auf den Weg gebracht.

Für Kunden und Mitarbeiter der Deutsche Bank ergeben sich daraus einschneidende Konsequenzen: Die Postbank wird verkauft, das übrige Privatkundengeschäft mit den sogenannten "blauen" Filialen zurückgefahren, und auch die Investmentbank soll schlanker und dafür schlagkräftiger werden.

Finanzkreisen zufolge werden Tausende Jobs wegfallen. Von bis zu einem Viertel der Stellen bei der Deutschen Bank ist die Rede. Viele Details sind aber noch offen. Cryan, der in den vergangenen drei Monaten eine intensive Problemanalyse betrieb und sich viele Manager persönlich vorknöpfte, muss nun den Feinschliff machen.

Cryan will seine Entscheidungen am 29. Oktober präsentieren - zusammen mit der ausführlichen Quartalsbilanz, wie die Bank mitteilte. Die Vorlage der Zwischenbilanz erfolgt damit einen Tag später als zuletzt geplant. Der Wettbewerber Credit Suisse aus der Schweiz, der ebenfalls unter einem neuen Chef an strategischen Weichenstellungen arbeitet, will die eigenen Pläne schon gut eine Woche vorher aufdecken.

Ruhm der Investmentbanker verblasst

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Umbauarbeiten beim einstigen deutschen Vorzeigehaus wohl länger dauern werden als gedacht. Jedenfalls scheut Cryan keine schmerzhaften Entscheidungen: Die Deutsche Bank schreibt den gesamten Firmenwert der US-Investmentbank Bankers Trust ab, der seit deren Übernahme 1999 in der Bilanz stand. Das von Jain lange Zeit geschonte Investmentbanking ist längst nicht mehr so lukrativ wie damals, weil es seit der Finanzkrise mit deutlich mehr Kapital unterlegt werden muss.

Außerdem korrigiert die Deutsche Bank den Buchwert der Postbank nach unten, weil sich beim geplanten Börsengang der Filialtochter wohl kein Erlös erzielen lässt, der dem einstigen Kaufpreis entspricht. Früheren Angaben zufolge steht die Postbank mit rund sechs Milliarden Euro in den Büchern, Experten halten aber derzeit nur eine Bewertung von weniger als vier Milliarden für realistisch. Allein diese Abschreibungen - Bankers Trust und Postbank - summieren sich auf 5,8 Milliarden Euro.

Ihren Anteil von knapp 20 Prozent an der chinesischen Hua Xia Bank betrachtet die Deutsche Bank ebenfalls nicht länger als strategisch, wie sie nun erstmals offiziell mitteilte. Auch hier wurde eine Wertminderung angesetzt. Hinzu kommen neuerliche Belastungen durch Rechtsstreitigkeiten: Die Bank legt weitere rund 1,2 Milliarden Euro zur Seite.

Wofür genau, ließ das Institut offen. Zuletzt hatten die Frankfurter mit einem Geldwäsche-Skandal in Russland Schlagzeilen gemacht. Abgesehen davon wartet die Deutsche Bank noch immer auf eine Einigung mit den US-Behörden im Streit um Sanktionsverstöße. Finanzkreisen zufolge wurden hierfür aber schon genug Reserven gebildet.

Kommt die Kapitalerhöhung?

Die Deutsche Bank versuchte, zumindest an einer Stelle zu beruhigen: Die hohen Abschreibungen haben nach Konzernangaben "keinen signifikanten Einfluss" auf die Kapitalausstattung. Per Ende September dürfte die harte Kernkapitalquote demnach bei vollständiger Anwendung der strengeren Regeln bei etwa 11 Prozent liegen.

Kapital ist für die Deutsche Bank ein heißes Thema - immer wieder spekulieren Analysten, ob die Bank nicht abermals die Aktionäre anzapfen muss, um langfristig wirklich auf der sicheren Seite zu sein. Cryan hat erklärt, sein bevorzugter Plan sei das nicht.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ/rts

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