Wirtschaft

Kunden genervt, Anleger treu Der große Apple-Frust

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(Foto: REUTERS)

1984 beendete Apple die Herrschaft von IBM. Für unseren Wall-Street-Korrespondenten ist die Zeit für eine neue Revolution gekommen - er hat wie viele andere genug von der bunten Apple-Welt. Nur die Anleger sind treu. Noch.

Erinnern Sie sich noch an 1984? Graue Menschen, ohne Seele, marschieren im düsteren Takt und hören gebannt dem "Big Brother" zu… ganz George Orwell. Dann kommt eine junge Frau, rote Shorts, weißes Top und blonde Haare, sie stürmt durch die Reihen der schweigenden Sklaven und schwingt einen gewaltigen Hammer. Sie schleudert ihn mitten in den riesigen Bildschirm, mitten in die Fratze des unterdrückenden Regimes… am Ende kommt die Stimme aus dem Off: "1984 wird Apple den Macintosh vorstellen. Und Sie werden sehen, warum 1984 nicht wie '1984' sein wird".

Der einminütige Werbespot von Ridley Scott, den Apple publikumsträchtig zum Super Bowl schaltete, hatte eine klare Botschaft: Die Herrschaft von IBM ist gebrochen, mit Apple kommt nicht weniger als eine Revolution auf den Computermarkt.

Der Rest ist Geschichte.

Apple
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Dreißig Jahre später spüre ich selbst hin und wieder den Wunsch, einen gewaltigen Hammer zu schwingen. Ich würde ihn am liebsten in die gewaltige Glasfassade des Apple Store schleudern, die bestimmt genau so grell bersten würde wie der Bildschirm in dem dystopischen Werbespot.

Denn Apple mag die Computerwelt bunter gemacht haben. Schicke Designs, tolle Programme, und dann all die Gadgets: der iPod hat die Musikbranche aufgewirbelt, das iPhone hat das Handy nicht nur smart gemacht, sondern allmächtig. Nur: So wie einst IBM die Welt dominiert hat, so ist es heute Apple, und vor lauter Macht und Freude über einen astronomischen Aktienkurs hat man eines vergessen: die User. Denn die sind mit Apple immer weniger zufrieden, und ich schreibe aus eigener Erfahrung.

Totaler Apple-Sklave bin ich erst seit drei Jahren, als ich mir mein MacBook Pro bestellte und endgültig Windows den Rücken kehrte. Zuvor hatte ich schon iPod, iPad und iPhone... jetzt war der letzte Schritt getan und von abstürzenden Programmen wollte ich nie mehr hören. Tat ich aber immer wieder, und damit nicht genug. Seit Jahren will ich meine Apple-ID ändern, weil sie noch an eine alte AOL-Adresse geknüpft ist. Fehlanzeige. Safari arbeitet selbst an simplen Webseiten zehn Minuten lang, während andere WiFi-Benutzer längst Videos geladen haben. Mein iPhone meldet jetzt schon bei 80 Fotos, dass der Speicher voll ist – wenn ich dann 50 Fotos lösche, habe ich immer noch keinen Platz, um wieder zwei neue zu knipsen.

Im Apple Store bin ich Stammgast. Mal sitze ich unter dem berühmten Glaskasten in Midtown Manhattan, mal in SoHo, mal in der Nobel-Mall "Short Hills" – überall sitzen Nerds, die sich selbstsicher "Genius" nennen. Sie lächeln freundlich, können aber meist nur oberflächliche Probleme lösen. Was im Apple Store funktioniert, klappt zuhause längst nicht mehr.

Ich bin nicht der einzige, der von Apple die Nase voll hat. Der amerikanische Hightech-Kolumnist David Weidner wollte jüngst seine Verbindung zu Apple kappen. Seine Gründe: Speicherprobleme, schlechter Service, das neue Lade-Kabel, das viele Geräte plötzlich inkompatibel mit der teuer erworbenen Peripherie macht. Apple bekam Wind davon und lud Weidner umgehend nach Cupertino ein, um auf seine Probleme einzugehen – das macht man schon einmal für einen prominenten Journalisten, aber bestimmt nicht für den normalen Kunden. Weshalb Weidner letztlich auch nur mäßig beeindruckt war. Ebenso übrigens wie John Gruber, eine Apple-Koryphäe, der jüngst geschrieben hat: "Apple hat eine Menge Kundenvertrauen verspielt." Das Unternehmen war früher dafür bekannt, das seine Produkte – im Gegensatz zur Konkurrenz – einfach funktionierten. Heute scheine die Konkurrenz zu funktionieren, und Apple nicht.

Apple-Kennern war klar, dass Steve Jobs dem Unternehmen fehlen würde. Doch dass man sich so große Schnitzer erlauben würde, dass Apple immer mehr hinter die Konkurrenz aus Fernost zurückfallen würde, das entsetzt Beobachter im Silicon Valley und an der Wall Street. Es wird Zeit, dass mal wieder jemand einen Hammer schwingt. Denn wenn die Zufriedenheit der User weiter sinkt, dann dürfte nicht nur der Höhenflug der Aktie beendet sein, sondern auch die Revolution, die man vor dreißig Jahren einläutete.

Quelle: ntv.de

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