Wirtschaft

Die Vision von Marchionne "Der Schwanz will mit dem Hund wedeln"

Ferrari an die Börse, GM vor den Traualtar - die Visionen von Fiat-Chrysler-Chef Marchionne.

Ferrari an die Börse, GM vor den Traualtar - die Visionen von Fiat-Chrysler-Chef Marchionne.

(Foto: REUTERS)

Fiat-Chrysler-Chef Marchionne will seinen Autokonzern mit GM verschmelzen. Damit würde die Hackordnung in der globalen Autoindustrie auf einen Schlag über den Haufen geworden. Was steckt hinter Marchionnes Plan? Könnte er erfolgreich sein? Was bedeutet das für andere Hersteller? n-tv.de Autoexperte Helmut Becker verrät es.

n-tv.de: Herr Becker: Nachdem Fiat sich Chrysler einverleibt und als Fiat-Chrysler (FCA) neugegründet hat, wagt sich Konzernchef Sergio Marchionne an den nächsten der "Big Three": GM. Was verfolgt Marchionne mit diesen Avancen?

Helmut Becker schreibt als anerkannter Autoexperte und Volkswirt für teleboerse.de und n-tv.de eine monatliche Kolumne rund um den Automarkt.

Helmut Becker schreibt als anerkannter Autoexperte und Volkswirt für teleboerse.de und n-tv.de eine monatliche Kolumne rund um den Automarkt.

Helmut Becker: Marchionne will ganz klar für eine Marktbereinigung sorgen, natürlich zu seinen Gunsten. Die Weltautomobilindustrie hat Überkapazitäten. Indem man nun den einen oder anderen Hersteller vom Markt nimmt und integriert und so die Kapazitäten zusammenlegt und strafft, schafft man eine Konsolidierung.

Der FCA-Konzern schreibt schwarze Zahlen. Warum gerade jetzt der Vorstoß?

Nach der Neugliederung des Konzerns - dessen Firmensitz ja in den Niederlanden liegt - und nachdem er auch Gewinne einfährt, fühlt sich Marchionne bereit und stark genug für den nächsten Schritt. Marchionne hat eine Vision: Er will den Weltautomobilmarkt bereinigen und FCA zum Marktführer machen.

Was würde eine Fusion FCA mit GM bringen?

Zunächst einmal viel Blut, Schweiß und Tränen! Daneben aber könnte Fiat-Chrysler mit GM 15 Millionen Automobile bauen und damit zur Nummer eins der Welt-Automobilindustrie aufsteigen - fast ein Viertel des Weltmarktes würde dann von dieser Gruppe beherrscht. Das würde zum einen die Wettbewerbsposition stärken. Zum anderen würden bei einem Zusammenschluss die Kapazitäten zusammengelegt. Das hätte Kostensenkungs- und Synergieeffekte. Ebenso würde die im Vergleich zum Wettbewerb niedrige Marge verbessert. Am Ende stünden dann auch Marktanteilsgewinne.

Was hätte GM eigentlich davon, die sich ja bereits seit rund einer Dekade in einem Konsolidierungsprozess befinden?

Vor allem Ungemach! Aus diesem Grund wehrt sich der Konzern gegen einen Zusammenschluss. Das kann ich auch verstehen, schließlich sind sie seit rund 80 Jahren Marktführer in den USA. Zudem kehrt der Konzern mehr und mehr zu alter Stärke zurück. Warum sollte man sich da mit einem kleineren Autobauer zusammenschließen, der überdies in den USA nicht das beste Image hat? Bei einer Verschmelzung würden allerdings die Aktionäre über steigende Kurse profitieren. Das sollte man daher nicht außer Acht lassen.

Wie stehen die Erfolgschancen?

Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne: Ein Mann mit einer Vision.

Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne: Ein Mann mit einer Vision.

(Foto: REUTERS)

Das ist schwer einzuschätzen, da Marchionne ja auf externe Geldgeber, sprich Investoren angewiesen ist, denen er das Geschäft schmackhaft machen muss. Das ist immer so, wenn kleinere Unternehmen größere Konzerne schlucken wollen. Die Vergangenheit bietet sowohl Beispiele für Erfolg und Misserfolg: So ist die Übernahme von Conti durch Schäffler sehr gut gelungen, wenn auch unter Tränen. Das Gegenstück lieferte der missglückte Übernahmeversuch von Porsche bei Volkswagen. Immer wenn der Schwanz mit dem Hund wackelt, wird es schwierig. Allerdings würde ich bei Fiat-Chrysler und GM größere Erfolgschancen an der Person Marchionne festmachen. Und das lässt mich vermuten, dass ein solcher Deal klappen würde. Marchionne würde das nötige Geld für die Übernahme zusammenbekommen - und die GM Aktionäre sind geldgierig.

Könnte dieser Zusammenschluss wirklich eine Konsolidierungswelle in der Autoindustrie lostreten?

Das denke ich nicht. In Europa sind alle Konzerne vergeben, sind in Partnerschaften verbunden wie bei Daimler und Renault. Oder sie sind so stark, dass sie nicht konsolidieren müssen, wie beispielsweise Volkswagen und BMW. In Asien sieht die Welt allerdings anders aus: Toyota würde vermutlich reagieren.

Gibt es denn einen idealeren Partner für FCA? Wen könnte Marchionne noch ins Auge gefasst haben?

Wunschkandidaten wären sicherlich BMW oder auch Jaguar. Aber die stehen nicht zum Verkauf und es gibt zudem auch keinen Verkaufsdruck aufgrund ihrer Eigentümerstrukturen.

Könnte es zu einem Bieterkampf bei GM kommen?

Das kann ich mir auf alle Fälle vorstellen! Vor allem in Asien könnte man nun hellhörig werden. Beispielsweise der südkoreanische Hyundai-Konzern wäre da zu nennen. Aber auch der eine oder andere chinesische Autobauer könnte Interesse haben. Da müssen wir die kommenden Wochen einmal abwarten.

Mit Helmut Becker sprach Thomas Badtke

Quelle: ntv.de

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