Kommt jetzt die Jahresendrally? Der Dax ist im Draghi-Fieber
27.11.2015, 14:54 UhrViele Investoren erwarten, dass EZB-Chef Draghi im Dezember eine starke Lockerung der Geldpolitik ankündigen wird und stürzen sich auf Dax-Aktien. Dabei haben sich zuletzt die Gewinnperspektiven etlicher Unternehmen deutlich eingetrübt. Auf welche Aktien könnten Investoren dennoch setzen?
Party-Laune bei Dax-Investoren: Der Index hat die Marke von 11.300 Punkten geknackt. Gegenüber dem Tief von Ende September steht damit ein Kursplus von 20 Prozent zu Buche. Für die Rally ist hauptsächlich EZB-Chef Mario Draghi verantwortlich. Er hat bei der Pressekonferenz nach der EZB-Sitzung am 22. Oktober angedeutet, dass die EZB bei der nächsten Sitzung am 3. Dezember eine ohnehin schon lockere Geldpolitik weiter lockern wird.
Die Analysten der Royal Bank of Scotland gehen davon aus, dass die EZB das Volumen des Anleihekaufprogramms um 20 Mrd. auf 85 Mrd. Euro pro Monat ausweiten und bis März 2017 verlängern wird. Damit würde die EZB 1,02 Billionen Euro pro Jahr drucken. Zudem soll der Einlagensatz um weitere 20 Basispunkte gesenkt werden. Dann müssten Banken für das Geld, das sie bei der EZB parken, Strafzinsen von 0,4 Prozent bezahlen.
"Wegen dieser Aussicht beschleunigt sich aber auch der Verfall des Euro, womit sich die Geschäftsperspektiven für zahlreiche Dax-Unternehmen verbessern. Denn sie bekommen für die Produkte, die sie beispielsweise in den USA oder China verkaufen, nach der Umrechnung mehr Euro", erläutert Christian Henke, Analyst beim CFD- und Aktienbroker IG, den Vorteil eines schwächelnden Euro.
Andererseits fallen die Zinsen immer weiter. Inzwischen werfen Bundesanleihen bis in den Bereich von sieben Jahren Strafzinsen ab. Durch den fallenden Euro und die sinkenden Zinsen hat der DAX damit von zwei Seiten Rückenwind. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, betrachtet Aktien im Umfeld niedriger Zinsen als bevorzugte Anlageklasse. "Anleger, die ein Mindestmaß an Rendite anstreben, kommen um Aktien auch im Jahr 2016 nicht herum", sagte Stephan auf der hauseigenen Veranstaltung zum "Kapitalmarktausblick 2016". Das Dax-Kursziel für Ende 2016 lautet 11.700 Punkte.
Gewinnerwartungen sinken
Angesichts des Euro-Verfalls sehen Investoren darüber hinweg, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft zusehends abkühlt, wodurch sich die Geschäftsperspektiven für die exportabhängigen Dax-Firmen aber eintrüben. Denn die Serie schwacher Konjunkturdaten aus den USA hält an. Gleichzeitig kühlt sich das Wachstum in China weiter ab, wodurch die Exporte vieler asiatischer Länder aber auch Deutschlands deutlich gedämpft werden. Trotz des Rückenwinds vom schwachen Euro haben die Analysten in den vergangenen Monaten die 2016er-Gewinnschätzungen für den Dax daher um sieben Prozent auf nur mehr 825 Indexpunkte gesenkt. Für 2016 sagen die Analysten damit ein Gewinnplus von lediglich 5,5 Prozent vorher.
Das liegt längst nicht nur daran, dass die Erwartungen an Volkswagen wegen des Abgas-Debakels eingebrochen sind. Auch für andere Zykliker haben die Finanzprofis ihre Schätzungen reduziert. Laut einer Studie von Andreas Hürkamp, Aktienstratege bei der Commerzbank, wurden die Gewinnschätzungen für ThyssenKrupp gegenüber dem Stand von vor 90 Tagen um 13,8 Prozent eingedampft, bei BASF steht ein Minus von 12,5 Prozent, bei der Deutschen Bank von 11,5 Prozent und bei Siemens von 6,8 Prozent zu Buche. Hingegen gibt es nur wenig erfreuliche Ausreißer. So dürften nach dem optimistischen Ausblick von Infineon auf das laufende Fiskaljahr die Analysten demnächst ihre Gewinnschätzungen deutlich erhöhen.
Angesichts der insgesamt verhaltenen Gewinnperspektiven ist der Dax mit einem KGV von 13,7 nicht gerade billig. "Diese Bewertung ist nur mit einem dynamischen Gewinnwachstum zu rechtfertigen; wir sehen aber eine Stagnation auf solidem Niveau" sagte Christian Kahler, Chefanlagestratege der DZ Bank beim "Jahresausblick 2016". Zwar könnten laut seiner Einschätzung neue geldpolitische Stimuli der EZB dem Aktienmarkt bis in das Frühjahr hinein zu einem Anstieg verhelfen. Dabei könne der Dax bis auf 11.500 oder sogar 12.000 Punkte nach oben klettern. Allerdings werde sich der Markt von der Geldschwemme wahrscheinlich nicht lange blenden lassen. Wenn die Unsicherheit über den tatsächlichen Zustand der Weltwirtschaft wieder aufflackern sollte, drohe eine Korrektur beim Dax. Kahlers Kursziel für Ende 2016 liegt daher bei lediglich 11.000 Punkten.
Auf Profiteure des schwachen Euro setzen…
Welche Dax-Aktien könnten die anhaltende Rally beim Leitindex anführen? Jene Unternehmen, die am stärksten von Draghis Politik - also entweder vom schwachen Euro oder von den sinkenden Zinsen - profitieren. Der schwache Euro kommt vor allem den Autobauern Volkswagen, Daimler und BMW und Zulieferern wie Continental zugute. Je nach Hersteller erzielen sie insgesamt bis zu 40 Prozent ihres Absatzes in den Regionen USA und China. Der chinesische Renminbi ist an den Dollar gekoppelt, weshalb ein Rückgang des Euro gegenüber dem Dollar in etwas abgeschwächter Form auch eine Abwertung gegenüber dem Renminbi bedeutet. Denn China wertet den Renminbi allmählich gegenüber dem Dollar ab. Großer Profiteur des schwachen Euro ist auch der Halbleiterhersteller Infineon. Er erzielt ein Drittel des Umsatzes in China und den USA. Ein schwacher Euro sorgt auch für Rückenwind bei der Deutschen Telekom, steuert die Tochter T-Mobile US doch rund ein Drittel des operativen Konzerngewinns bei.
… und dividendenstarke Dax-Titel
Wegen der niedrigen Zinsen rücken vor allem die dividendenstarken Dax-Aktien in den Fokus der Investoren, allerdings nur jene Unternehmen, die aufgrund ihrer hohen Profitabilität die Ausschüttungen sogar weiter steigern dürften. Dazu zählen nicht etwa die Versorger, die zwar ebenfalls eine hohe Dividendenrendite bieten, aber deren Geschäft massiv unter Druck ist. Unter den dividendenstarken Aktien dürften daher vor allem die Versicherer Allianz und Münchener Rück gefragt sein. So liegt die Dividendenrendite bei der Allianz bei 4,4 und bei der Münchener Rück bei 4,3 Prozent. Zudem können sich 4,1 Prozent bei K+S sehen lassen, genauso wie die 3,7 Prozent bei Daimler. Die Rendite des Dax liegt bei insgesamt 2,7 Prozent.
Angetrieben von der Aussicht auf eine zunehmende Geldschwemme könnte die DAX-Party noch eine Weile weitergehen, auch wenn die aktuelle Gewinnsituation der Unternehmen diese Rally nur bedingt rechtfertigt. Je stärker sich der Index aber der Marke von 12.000 Punkten nähert, umso mehr dürften Investoren daher darüber nachdenken, allmählich Gewinne mitzunehmen.
Quelle: ntv.de