Wirtschaft

Viel Luft in Internetaktien Das sind die Stolperfallen am Neuen Markt

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(Foto: REUTERS)

Amazon und die Online-Videothek Netflix sind seit Jahren die Lieblinge der Investoren. Mit der Zinswende dürften sich Anleger die hohen Bewertungen genauer anschauen. Wo könnten Kursrückgänge bevorstehen?

Vor der Zinswende herrschten paradiesische Zustände für Internetaktien: Es floss immer mehr Geld in Firmen wie Amazon, Facebook, Netflix und Google. Sie waren Anlegers Liebling, weil sie trotz der instabilen Konjunktur kräftig gewachsen sind.

Das hat dazu geführt, dass der Wert von Amazon auf rund 311 Milliarden Euro hochgeschossen ist. Mit dieser Bewertung sicherte sich der Online-Händler den sechsten Platz in der Weltrangliste der größten börsennotierten Unternehmen, hinter Apple, der Google-Mutter Alphabet, Microsoft, Berkshire Hathaway und Exxon Mobil. Im vergangenen Jahr hat der Aktienkurs um 140 Prozent zugelegt, nur der Videodienst Netflix konnte das mit 185 Prozent noch übertreffen.

Nachdem die US-Notenbank Fed Mitte Dezember die Zinswende eingeläutet hat, könnte sich der Wind jedoch drehen. Gerade die Papiere aus dem sehr hoch bewerteten Technologieindex Nasdaq dürften künftig etwas misstrauischer begutachtet werden. Kursrückgänge sind nicht ausgeschlossen, auch wenn die meisten Bankenanalysen prognostizieren, dass sich der Gewinn Amazons im nächsten Jahr verdreifachen wird. Der Grund für den Optimismus ist das Cloud-Geschäft, das im dritten Quartal mit 521 Millionen Dollar sogar mehr Gewinn abgeworfen hat als das herkömmliche Versandgeschäft von Amazon.

Aber auch im Cloud-Geschäft wird der Druck aufgrund von Wettbewerbern wie Alphabet und Microsoft zunehmen. Auch der Einzelhandelsriese Wal-Mart und die Handelsplattform Ebay wollen sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Und im Video-Bereich ist Netflix ein starker Konkurrent. Eine Korrektur der Amazon-Aktie nach unten ist also denkbar, zumal der Konzern deutlichen Gegenwind durch den starken Dollar hat - auch wenn Vorstandschef Jeff Bezos für das vierte Quartal des Jahres zum ersten Mal seit 2010 wieder einen operativen Gewinn in Aussicht gestellt hat.

Geschäft von Netflix schwächelt

Das Geschäft des Video-Streaminganbieters Netflix ist noch fragiler. Zuletzt hat die Videothek weniger Kunden gewinnen können als angekündigt. Offensichtlich sind viele US-Amerikaner in konjunkturell schwierigen Zeiten nicht in der Lage, sich den Monatsbeitrag von 7,99 Dollar für Netflix zu leisten. Zudem verschlingt die aggressive Auslandsexpansion viel Geld: Nachdem der Konzern im vierten Quartal in Spanien, Italien und Portugal an den Start gegangen ist, folgen Anfang 2016 Südkorea, Hongkong, Taiwan und Singapur.

Der Börsenwert von Netflix liegt derzeit trotz der jüngsten Bremsspur bei astronomischen 50,4 Milliarden Dollar. Das ist das 400-Fache des vom Konsens der Analysten für 2016 geschätzten Gewinns und zeigt, dass viel Luft in der Aktie steckt. Das Papier ist anfällig für schlechte Nachrichten.

Rocket Internet schreibt rote Zahlen

Für die deutsche Mini-Kopie der US-amerikanischen Internet-Konzerne verschlechtern sich die Aussichten ebenfalls: Dass Rocket Internet mit dem Lebensmittelversand "Hello Fresh" doch noch nicht an die Börse gegangen ist, wirft Fragen auf. Trotzdem beträgt der Börsenwert des Projekts der Samwer-Brüder 4,5 Milliarden Euro und liegt damit gleich auf mit namhaften Traditionsfirmen, etwa dem Dax-Titel K+S oder MDax-Werten wie dem Autozulieferer Hella, LEG Immobilien oder dem Triebwerksbauer MTU Aero Engines.

Viele Analysten sehen nicht, dass diese Bewertung realistisch ist, und prognostizieren herbe Verluste. So liegen die 2016er-Schätzungen bei einem Verlust von rund 400 Millionen Euro. In den nächsten Quartalen muss der Konzern stark wachsen und Investoren aufzeigen, dass sich die Profitabilität deutlich verbessert. Ansonsten dürfte die Rakete wieder in den Sturzflug übergehen.

Und dass, obwohl in Europa eine Zinswende noch lange nicht in Sicht ist. Dennoch stehen Aktien von Internetfirmen durch die Geldschwemme überall unter Verdacht, überbewertet zu sein. Schlechte Nachrichten – mögen sie auf den ersten Blick noch so unwichtig erscheinen – können die Papiere schnell ins Trudeln bringen.

Quelle: ntv.de

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