Wirtschaft

Analysten werden skeptischer Crash-Gefahr im Verzug?

Ein Händler an der New Yorker Börse Mitte der Woche, als die Trump-Party eine Pause eingelegt hat.

Ein Händler an der New Yorker Börse Mitte der Woche, als die Trump-Party eine Pause eingelegt hat.

(Foto: REUTERS)

Der S&P 500 notiert noch immer knapp unter seinem Rekordhoch, dennoch werden Anleger und Analysten langsam nervös. Die Zweifel an einem Trumpschen Boom wachsen.

Der Dow-Jones-Index hat in der vergangenen Woche die stärkste Verlustserie seit Anfang November hingelegt. Zwar sind die Verluste mit etwas über einem Prozent noch moderat, aber die Vielzahl an Warnungen, die Analysten derzeit aussprechen, lässt Anleger doch aufhorchen. Zumal auch immer mehr Zweifel an der Umsetzung der vollmundigen Versprechungen des neuen US-Präsidenten Donald Trump aufkommen.

Die Zerrissenheit innerhalb seiner eigenen republikanischen Partei bei der Abstimmung über die Gesundheitsreform von Vorgänger Obama zeigt bereits, wie schwer der Weg zu den angekündigten kräftigen Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen werden wird. Sollten sie zeitlich weiter in die ferne rücken, könnte sich die US-Wirtschaft deutlich abkühlen.

Wie viele Zinserhöhungen?

S&P 500
S&P 500 5.253,72

Die Notenbank von Atlanta hat ihre Prognose für das Wachstum der US-Wirtschaft im ersten Quartal bereits auf nur mehr 0,9 Prozent auf Jahresbasis gesenkt. Der annualisierte Wert wird errechnet, wenn man die Veränderung gegenüber dem Vorquartal mit dem Faktor vier multipliziert.

Trotzdem haben zuletzt etliche Mitglieder der US-Notenbank davon gesprochen, dass die Zinsen im laufenden Jahr möglicherweise etwas stärker angehoben werden könnten, als die drei Erhöhungen die Fed-Chefin Janet Yellen bei der Sitzung am 15. März signalisiert hatte. Wegen des sich eintrübenden konjuknturellen Umfelds scheint der Zeitpunkt für eine kräftige Verschärfung der Geldpolitik nicht besonders günstig. Ein Wachstum von lediglich 0,9 Prozent wäre annualisiert das niedrigste Wachstum im Umfeld einer Zinserhöhung seit dem Jahr 1980.

Der Finanzmarkt spiegelt die zunehmenden Sorgen der Investoren klar wider: Die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen sind auf 2,4 Prozent gesunken. Damit liegen sie wieder auf dem Niveau von Anfang Dezember 2016, obwohl die Fed seit damals die Leitzinsen zwei Mal angehoben hat.

Die sich eintrübenden Konjunkturperspektiven haben vor allem bei Bankaktien, wie JP Morgan und Goldman Sachs, zu einem Kursrutsch geführt. Der Sektor ist ein Zykliker par excellence, hängt also besonders stark von der Konjunktur ab. Wenn die Wirtschaft nicht so gut läuft wie erwartet, bekommen das die Banken als erstes zu spüren.

US-Aktienmarkt sehr hoch bewertet

Kräftige Zinserhöhungen der Fed in einem Umfeld schwachen Wirtschaftswachstums scheint für etliche Investoren kein besonders guter Mix zu sein, zumal US-Aktien auch sehr hoch bewertet sind. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 liegt auf Basis der Gewinnschätzungen der nächsten zwölf Monate - eine für Analysten und Investoren sehr wichtige Kennzahl - bei 18,4. Das liegt sehr weit über dem langfristigen Schnitt von elf bis zwölf, der in etwa auch dem Gewinnwachstum der Unternehmen entsprach. "Das aktuelle KGV liegt auf dem höchsten Niveau seit 1976 mit Ausnahme der Tech-Blase", schreiben die Analysten von Goldman Sachs.

Anleger, die sich vor einem Kursrückgang schützen wollen, haben verschiedene Absicherungsmöglichkeiten. Vorteilhaft sind derzeit zum Beispiel Put-Optionsscheine, wie Sebastian Bleser, Experte für Anlage- und Hebelprodukte bei HypoVereinsbank onemarkets, erklärt: "Put-Optionsscheine sind im aktuell niedrigen Volatilitätsumfeld vergleichsweise günstig bewertet. Sollte es zu einem Kursrückgang kommen und die Volatilität aufgrund der zunehmenden Unsicherheit wieder steigen, würden Puts sowohl von fallenden Kursen als auch von einer anziehenden Volatilitätsbewertung profitieren." Optionsscheine legen nämlich tendenziell zu, wenn die Volatilität steigt.

Anleger nehmen Gewinne mit

Manuel Suckart vom Onlinebroker Degiro, bemerkt derzeit noch einen anderen Trend bei seinen Kunden, die in US-Aktien engagiert sind und erklärt gegenüber ntv.de: "Das erhöhte Volumen der vergangenen Tage bei US-Aktien spiegelt auch eine gestiegene Nervosität der Anleger wider. Denn zuletzt haben zum Teil zahlreiche Gewinnmitnahmen eingesetzt."

Das könnte an den zunehmenden Warnungen liegen, die US-Analysten derzeit aussprechen. Neben Goldman Sachs reiht sich dort auch JP Morgan ein. Die Experten glauben, dass viele Investoren zu Leichtsinn neigen würden. "Eine kurzfristige Marktschwäche (bei US-Aktien) ist wahrscheinlicher als keine", schrieb Marko Kolanovic.

Der Chef der Derivate- und Quant-Strategie von JP Morgan hatte 2016 die Entwicklungen am Finanzmarkt so genau vorhergesagt, dass er von der Nachrichtenagentur Bloomberg in Anspielung auf den Zauberer aus den Herr der Ringe-Filmen als "Gandalf" bezeichnet worden war. Kolanovic ist allerdings der Überzeugung, dass es nach einem kurzen Rückschlag wieder aufwärts gehen werde.

"Jede bedeutende Kursschwäche sollten Investoren als Kaufgelegenheit nutzen", schrieb der Experte. Umso mehr könnte es auf die Fed ankommen, zu signalisieren, dass sie möglicherweise die Zinsen nicht so schnell und deutlich anheben wird, wie bislang angekündigt. Ansonsten könnten Investoren noch deutlich nervöser werden, womit sich die Korrektur beim S&P 500 spürbar ausweiten könnte.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen