Wirtschaft

Immobilienrausch in Xiongan Chinas neue Megacity befeuert Häuserpreise

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Vorbild für die neue Megacity ist Shenzhen bei Hongkong. Vor 30 Jahren war hier nur ein kleines Fischerdörfchen.

Vorbild für die neue Megacity ist Shenzhen bei Hongkong. Vor 30 Jahren war hier nur ein kleines Fischerdörfchen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Goldgräberstimmung in China: Unweit der Millionenmetropole Peking soll eine neue Sonderwirtschaftszone auf einer Fläche drei Mal so groß wie New York entstehen. Die Regierung muss die Begeisterung der Investoren zügeln.

Für Spekulanten in China herrscht seit dem Wochenende der Ausnahmezustand. Vier Tage nachdem die Regierung in Peking ankündigte, eine neue Sonderwirtschaftszone im Süden der Hauptstadt zu errichten, reagieren Chinas Börsen mit deutlichen Kursgewinnen. In Schanghai und Shenzhen gewannen die Märkte allein am Mittwoch jeweils mehr als ein Prozent.

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Für gute Laune sorgt vor allem die Hoffnung auf anziehende Unternehmensgewinne in der Region. Nicht nur Aktien von Industrie- und Rohstoffunternehmen profitierten davon, sondern auch die Papiere von Immobilienfirmen, die im Schnitt um jeweils mehr als zwei Prozent zulegten.

Die Regierung hatte am Samstag überraschend angekündigt, in Xiongan in der Provinz Hebei zwei Nachbarregionen zur größten Stadt der Welt zu verschmelzen. Sie soll Jing-Jin-Ji heißen - eine Abkürzung aus den Städtenamen Beijing, Tianjin und dem historischen Namen für die Provinz Hebei, "Ji". Die neue Megacity soll gut 200.000 Quadratkilometer umfassen, eine Fläche annähernd doppelt so groß wie der US-Bundesstaat New York oder 250 mal so groß wie New York City. Heute leben in dieser Region Chinas rund 110 Millionen Menschen. Wenn die Mega-Stadt fertig ist, sollen es 20 Millionen mehr sein. Zum Vergleich: Im Bundesstaat New York leben heute knapp 20 Millionen Menschen, knapp die Hälfte von ihnen lebt in New York City.

Goldgräberstimmung

Die Dimension dieses Projekts versetzt Immobilien-Spekulanten in einen Kaufrausch. Laut chinesischen Lokalmedien zogen die Grundstückspreise binnen weniger Stunden teils um 100 Prozent an. Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert Anwohner, die berichteten, dass der Quadratmeter vor dem Wochenende noch 10.000 Yuan (etwa 1350 Euro) kostete, danach seien es mindestens 17.000 Yuan (rund 2300 Euro) gewesen.

Die Mega-City sei "ein Stück Kuchen, dass vom Himmel gefallen ist", zitiert der britische "Guardian" einen völlig euphorisierten chinesischen Kaufinteressenten. Chen Bo erzählte dem Blatt: "Ich war so aufgeregt, ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen." Tausende machten sich in dieser Goldgräberstimmung auf den Weg, ihr Glück zu suchen. Der Investoren-Run brachte den Verkehr völlig zum Erliegen.

Noch am Sonntag entschied die überforderte Verwaltung der Region bei einer Krisensitzung, ein vorübergehendes Kaufverbot für Immobilien zu verhängen. Grundstücksmakler mussten ihre Geschäfte schließen. Beamte warnten die Menschen auf der Straße mit Megaphonen vor illegalen Immobilien-Spekulationen.

"1000-jähriges Projekt"

Ausgelöst wurde das Chaos vor allem durch den Pathos, mit dem Peking selbst das Projekt beworben hatte. Chinas Präsident Xi Jinping nannte es ein "1000-jähriges Projekt" - eine Formulierung, die zuletzt Mao Zedong gewählt hatte. Ökologie und das Wohlergehen der Menschen sollen Priorität haben, hieß es. Xiongan sei das nächste Pudong oder Shenzhen, feuerte Xi die Fantasien der Spekulanten zusätzlich an - eine bewusste Anspielung auf die reichen Sonderwirtschaftszonen im Osten Schanghais und Süden Hong Kongs.

Beide sind große Erfolgsmodelle. Mit niedrigen Steuersätzen und wirtschaftlichen Vorteilen für Unternehmen werben sie vor allem um das Kapital ausländischer Investoren. Die Idee ist, die Wirtschaft in bestimmten Regionen des Landes gezielt anzukurbeln. Viele internationale Unternehmen, auch Volkswagen, sind diesem Ruf ins Reich der Mitte gefolgt.

Am bekanntesten ist die Sonderwirtschaftszone Shenzhen, die im August 1980 als erste entstand. Sie gilt als Keimzelle von Chinas Wirtschaftswunder. Erfolg versprechen solche Zonen, wenn die Pekinger Zentralregierung sie einrichtet. Da Xiongan ein Projekt von Staats- und Parteichef Xi Jinping ist, stehen alle Zeichen auf grün.

Gefährliche Häuserblase

Aber nicht nur wirtschaftliche Erwägungen spielen eine Rolle. Es gibt auch politische und gesundheitliche Gründe für ein Mammut-Projekt wie Xiongan. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua lobt, das Projekt werde den Druck von Peking nehmen. Die Metropole kämpft jeden Tag gegen Verkehrsinfarkt und Luftverpestung. Es sei "die Antwort auf Chinas Wachstums-Rätsel", hieß es am Wochende. Auf die "halsbrecherische urbane Zersiedelung" folge nun eine "ausgewogene und integrative Entwicklungsstrategie".

Mit dem Projekt wirbt China nicht nur um ausländisches Kapital, sondern versucht sich auch in Dezentralisierung. Ein Teil der Verwaltung soll aufs Land umziehen und dort für Arbeitsplätze sorgen. Auch Hospitäler, Schulen und Universitäten sollen aus der Metropole Peking aufs Land verlagert werden, um das extreme Entwicklungsgefälle, das politisch für wachsende Unruhe sorgt, auszugleichen. Viele Berufstätige in Peking pendeln jeden Tag bis zu fünf Stunden zu und von ihren Arbeitsplätzen. Wenn Jobs näher an die Wohnviertel rücken, könnte dies ein zeit- und nervenraubendes Problem beheben.

Gehen alle diese Wünsche in Erfüllung, wäre es ein großer Wurf für China. Doch zunächst muss Peking das Spekulantenfieber in den Griff bekommen. Denn schon heute kämpft die Regierung mit einer gefährlichen Häuserblase - die jederzeit platzen könnte.

Quelle: ntv.de

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