Wirtschaft

Die wahren Probleme der Börsen China-Krise ist nicht an allem schuld

Bei der weiteren Entwicklung der Weltwirtschaft kommt China auf jeden Fall eine Schlüsselrolle zu.

Bei der weiteren Entwicklung der Weltwirtschaft kommt China auf jeden Fall eine Schlüsselrolle zu.

(Foto: REUTERS)

Maues Wirtschaftswachstum. Zickzackkurse an den Börsen. Währungsverfall. Angeblich ist daran vor allem China schuld. Und kaum einer hinterfragt das. Das ist ein Fehler.

Nachrichten aus China sind zurzeit schlechte Nachrichten: Ausverkauf an den chinesischen Festlandsbörsen, der einen Mini-Crash rund um den Globus auslöst. Abwertung der Landeswährung Renminbi, die die Währungen anderer Schwellenländer mit nach unten zieht. Das gedrosselte Wachstum, das der Welt ihren wichtigen Absatzmarkt zu blockieren droht. Flaue Nachfrage nach Öl, Kupfer etc., die die Rohstoffpreise einbrechen lässt und damit die Einnahmen entsprechender Exporteure wie Brasilien, Russland oder Saudi Arabien.

Ökonomen in der ganzen Welt sind besorgt. Denn wenn die Wirtschaftskraft der zweitgrößten Volkswirtschaft der Erde wirklich dramatisch nachlassen sollte, geht das an keinem Staat spurlos vorbei.

Nicht nur die Rohstoffpreise sind bereits deutlich gefallen, mit ihnen haben auch die Inflationsraten spürbar nachgegeben. EZB-Chef Mario Draghi und seine Ratskollegen, genauso wie die Währungshüter in den USA bei der amerikanischen Notenbank Fed dürfte das nicht gefallen. Denn sie haben mit ihren Notenpressen vor allem eins versucht: mehr Inflation zu generieren. Eine moderate Geldentwertung gilt als Voraussetzung für Wirtschaftswachstum. Außerdem sorgt sie für den Abbau der realen Schuldenlast der Staatshaushalte.

Die China-Krise kommt zur Unzeit. Möglicherweise wird Fed-Chefin Janet Yellen sogar ihre für dieses Jahr angekündigte Zinsanhebung wegen China weiter hinauszuzögern.

Doch ist die Volksrepublik wirklich an allem schuld? Skeptiker sind der Auffassung, dass die stotternde Wirtschaft die jüngsten Börsenturbulenzen allenfalls ausgelöst haben kann. Den wahren Grund für die wilde Achterbahnfahrt an den Handelsplätzen in Shanghai und Shenzhen sehen sie woanders. Sie verweisen dabei zum einen darauf, dass die Abschwächung der chinesischen Konjunktur nicht über Nacht gekommen ist, sondern bereits seit einem halben Jahr zu beobachten war. Abzulesen war sie insbesondere an den fallenden Rohstoffpreisen: Weil die chinesische Volkswirtschaft nicht mehr auf vollen Touren lief, wurde auch weniger Öl oder Kupfer nachgefragt. Außerdem geben die Skeptiker zu bedenken, dass die wenig offenen chinesischen Märkte wohl nicht die Macht besäßen, etablierte Finanzmärkte derartig stark zu beeinflussen.

Der japanische Ökonom Richard Koo sieht den wahren Grund für die Marktinstabilität deshalb vielmehr bei der Fed und ihrer Entscheidung im vergangenen Jahr, das Quantitative Easing-Programm (QE) zu beenden. Zuvor hatte die Fed für massiv Wertpapiere gekauft und damit hunderte Milliarden US-Dollar in die Finanzmärkte gepumpt.

Die Geldschwemme der amerikanischen Notenbank sei vor allem in Finanzanlagen geflossen, sagt der Chefvolkswirt von Nomura Research im Gespräch mit dem "Business Insider". Als die Fed ankündigte, das Programm zurückzufahren, hätten Unternehmen und Haushalte ihren Fokus von Gewinnmaximierung auf Schuldenminimierung verschoben, so Koo weiter. Die Realwirtschaft habe somit kaum profitieren können.

Als Staatsanleihen immer niedriger rentierten, floss das Geld des privaten Sektors stattdessen in immer riskantere Finanzanlagen, weil diese höhere Renditen versprachen. So erklärt sich auch, warum die Inflationsrate in den USA, Japan oder Großbritannien, die die Finanzmärkte mit Geld fluteten, so niedrig geblieben ist.

Fed-Chefin Yellen: Hinweis auf eine Blase

Koo glaubt nicht nur, dass die Geldpolitik der Notenbanken die Ursache für die Börsenturbulenzen ist. Seiner Überzeugung nach, stehen wir auch erst noch am Anfang einer Entwicklung. Der "Kampf zwischen den Märkten und den Zentralbanken hat erst begonnen", so Koo.

Von dem Geld der Notenbanken habe in der Realwirtschaft nur eine Handvoll von Bereichen profitiert, sagt Koo im Interview. Unter anderem sei die Nachfrage nach Luxusgütern gestiegen. Die Erhöhung der Vermögenspreise (also höhere Notierungen bei Anleihen oder Aktien – Anmerk. d. Red.) sei ein finanzielles Phänomen, das nicht von der Realwirtschaft gestützt werde.

Koo weiter: Der "Anstieg von Aktienkursen und der Verfall von Währungen unter QE waren nichts anderes als liquiditätsgesteuerte, von den Grundlagen der Realwirtschaft losgelöste Phänomene. Jetzt, wo die Anleihekäufe in den USA ausgelaufen sind, ist die Zeit reif für eine Korrektur." Fed-Chefin Janet Yellen habe selber vor einigen Monaten gesagt, dass die hohen Bewertungen am Aktienmarkt "wahrscheinlich ein Hinweis auf eine Blase" seien. Trotzdem sei ein Auslöser für die Marktturbulenzen nötig gewesen. Und das sei nicht die Fed, sondern China gewesen.

Zeitenwende für die globale Wirtschaft

Die Politik steht laut Koo vor großen Aufgaben. Wenn die exzessive Geldpolitik jetzt nach und nach auf Normalniveau zurückgefahren wird, müsse sie verhindern, dass es eine "negative Rückkoppelung auf die Realwirtschaft"  gebe. Denn die Zinswende könnte die lauwarme globale Erholung abwürgen. Koo zufolge zeigen die Turbulenzen der vergangenen zwei Monate überdeutlich die Kehrseite dieser Geldpolitik.

Seiner Auffassung nach wird die Situation an den Finanzmärkten vorerst volatil bleiben. An eine reibungslose wirtschaftliche Erholung, wie man sie aus früheren Jahren kennt, glaubt er nicht mehr. Dafür müsste die Fed Überschussreserven zurückfahren oder andere Maßnahmen treffen, so dass der Ausstieg aus der exzessiven Geldpolitik keine Gefahr mehr wäre, heißt es. Für Währungshüter, Politiker und langfristige Anleger stehen demnach schwere Zeiten bevor.

Quelle: ntv.de

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