Politik

Brüssel zieht neue Saiten auf Sparer müssen Zypern mitretten

Die Euroländer bitten Zyperns Bankkunden für die Rettung des Landes zur Kasse. Der Betrag wird ab sofort auf den Konten eingefroren.

Die Euroländer bitten Zyperns Bankkunden für die Rettung des Landes zur Kasse. Der Betrag wird ab sofort auf den Konten eingefroren.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Zypern-Rettung ist ein Novum in der Eurokrise: Wer Geld bei einer zyprischen Bank liegen hat, muss für die Rettung Zyperns vor der Staatspleite mitzahlen. Bei Beträgen ab 100.000 Euro ist fast ein Zehntel weg. Die Menschen reagieren geschockt. Hunderte Kontoinhaber versuchen am Morgen ihr Geld abzuheben - vergeblich.

Zur Rettung Zyperns vor der drohenden Staatspleite werden in einem beispiellosen Schritt auch Bankkunden kräftig zur Kasse gebeten. Bei Einlagen unter 100.000 Euro wird eine Abgabe von 6,75 Prozent fällig, bei höheren Summen sind es 9,9 Prozent. Das soll geschätzte 5,8 Mrd. Euro einbringen, kündigte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem nach der Einigung der Finanzminister auf das Hilfspaket am Morgen in Brüssel an.

"Wir haben die Lastenverteilung sehr sorgfältig geprüft", versicherte der Niederländer. "Wir bestrafen Zypern nicht." Das Hilfspaket soll ein Volumen von bis zu zehn Mrd. Euro haben. Der Mittelmeerinsel droht ohne die Unterstützung der Euroländer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) die Staatspleite. "Die Eurogruppe hat ihre Mission erfüllt", verkündete der französische Ressortchef Pierre Moscovici beim Online-Dienst Twitter.

Kontoinhaber reagieren geschockt

Die Entscheidung der Euro-Gruppe, die privaten Geldanleger an der Abwendung eines Staatsbankrotts zu beteiligen, sorgte am Morgen kurzfristig für einen Ansturm auf Genossenschaftsbanken. Im Unterschied zu anderen Banken sind diese in der Regel auch am Samstag geöffnet. Die Versuche von Kontoinhabern, Geld vor dem Zugriff des Staates in Sicherheit zu bringen, blieben jedoch vergeblich.

Eurogruppen -Chef Jeroen Dijsselbloem mit IWF-Chefin Christine Lagarde.

Eurogruppen -Chef Jeroen Dijsselbloem mit IWF-Chefin Christine Lagarde.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Banken hatten vorgesorgt und den Anteil der Einlagen, den ihre Kunden entrichten müssen, unmittelbar nach dem Beschluss bereits eingefroren. Das Onlinesystem der Banken war außer Betrieb gesetzt. Später schlossen auch die wenigen geöffneten Filialen, wie der stellvertretende Präsident der Cooperative Central Bank of Cyprus, Erotokritos Chlorakiotis, im staatlichen Rundfunk sagte.

Die Abgabe gilt sowohl für in Zypern ansässige als auch für ausländische Bankkunden. Keiner kann der sogenannten Solidaritätsabgabe entgehen: Der fällige Betrag werde ab sofort auf den Konten eingefroren, kündigte EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen nach rund zehnstündigen Marathonverhandlungen an.

"Bevor die Banken wieder öffnen, wird die Abgabe abgezogen. Der Rest des Geldes ist frei verfügbar", sagte Asmussen. Verantwortlich für das Verfahren seien die Zyprer. Ein solches Vorgehen drohe in anderen Krisenländern des Kontinents nicht.

Entsetzen auch im Regierungslager

Zyperns Sparer kritisierten die vereinbarte Sonderabgabe. "Ich bin extrem wütend. Ich habe Jahre über Jahre gearbeitet, um dies anzusparen und jetzt verliere es, weil die Niederländer und Deutschen es sagen", schimpfte ein 54-jähriger Zypriot. Ein Rentner fügte hinzu: "Das ist schlicht und einfach Diebstahl." Zypern sei nicht Sizilien. Dies sei nicht die Insel der Mafia.

Entsetzen über die Brüsseler Beschlüsse wurden auch im Regierungslager laut. Er sei schockiert, sagte Nicholas Papadopoulos, der Vorsitzende des Finanzausschusses im Parlament. "Die Entscheidung ist schlimmer als erwartet und ist das genaue Gegenteil von dem, was uns die Regierung noch gestern Abend versprochen hat", stöhnte der Vizechef der mitregierenden Demokratischen Partei.

Ein Novum und ein einmaliger Schritt

Die Fassade der Zentralbank von Zypern in Nicosia bei der Euroeinführung 2007. Zypern ist das vierte Euroland, das gerettet wird.

Die Fassade der Zentralbank von Zypern in Nicosia bei der Euroeinführung 2007. Zypern ist das vierte Euroland, das gerettet wird.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die interrnationalen Geldgeber griffen ein, obwohl das Land nur 0,2 Prozent zur Wirtschaftsleistung der Eurozone beiträgt. "Zypern ist systemrelevant für die Eurozone", erklärte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Dies bedeutet, dass eine Staatspleite die gesamte Eurozone gefährden würde. Der Deutsche Bundestag und mehrere andere nationale Parlamente müssen dem Hilfspaket noch zustimmen. Der Bundestag sollte noch an diesem Samstag unterrichtet werden. Das Paket soll in der zweiten April-Hälfte endgültig unter Dach und Fach gebracht werden.

Die einmalig Belastung der Bankkunden sei als außerordentliche Maßnahme nötig, weil das zyprische Banksystem gemessen an der gesamten Wirtschaft überdimensioniert sei, hieß es.

Zyperns Finanzminister Michalis Sarris sprach ohne konkrete Details die Möglichkeit eines Umtauschs der Gebühr in Aktien der betroffenen Institute an. Als Finanzminister sei er nicht glücklich über die Gebühr. "Aber die Aufgabe, den Wohlstand der Menschen und die Stabilität des Systems zu schützen, ließ uns keine andere Wahl."

Euro-Länder präsentieren die Quittung

Rund ein Drittel der Einlagen in Zypern sind in der Hand ausländischer Kontoinhaber - vor allem reicher Russen und Briten. Seit längerem halten sich Vorwürfe, Zypern locke mit niedrigen Firmensteuern und einer lockeren Finanzaufsicht Schwarzgeld an. Zypern bestreitet dies. Die Mittelmeerinsel ist zweitgrößter Auslandsinvestor in Russland.

Zypern ist nach Griechenland, Portugal und Irland das vierte Land, das ein Vollprogramm aus dem europäischen Rettungsschirm bekommt. Spanien erhält Milliardenhilfen nur für seine maroden Banken.

Die von einer schweren Bankenkrise erschütterte Mittelmeerinsel hatte schon im  vergangenen Juni ein Hilfsgesuch in Brüssel vorgelegt. Bis vor kurzem war ein Volumen von rund 17,5 Mrd. Euro genannt worden. Mit welchem Volumen sich der IWF beteiligt, ist noch offen, sagte die Chefin des Fonds, Christine Lagarde. Nach unbestätigten Informationen könnte es um eine Milliarde Euro gehen.

Deutschland und andere Staaten bestanden darauf, dass Anti-Geldwäsche-Standards eingehalten werden. Eine unabhängige Prüfung dazu ist bereits angelaufen und soll bis Monatsende abgeschlossen werden.

Russland macht mit

Als Teil der Maßnahmen wird die Unternehmensteuer in Zypern von 10 auf 12,5 Prozent angehoben. Einen Schuldenschnitt soll es nicht geben. Russland stellte die Verlängerung eines Kredits an Zypern zu reduzierten Zinsen in Aussicht. Sarris wird kommenden Mittwoch in Moskau erwartet.

Die Euro-Kassenhüter beschlossen auch, den Krisenländer Portugal und Irland verlängerte Laufzeiten für ihre Rettungskredite zuzubilligen. Damit bekommen Lissabon und Dublin mehr Zeit, ihre Darlehen aus dem europäischen Rettungsschirm EFSF zurückzuzahlen. Details werden im kommenden Monat geklärt.

Quelle: ntv.de, ddi/dpa

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