Wirtschaft

"Schlussendlich sind sie aufgewacht" Brasilien bekämpft die Inflation

Volkswirtschaftlicher Balanceakt: Brasilien muss zwischen Inflation udn Wachstum vermitteln.

Volkswirtschaftlicher Balanceakt: Brasilien muss zwischen Inflation udn Wachstum vermitteln.

(Foto: REUTERS)

Der Druck an der Preisfront lässt den Währungshütern in Südamerikas mächtigster Volkswirtschaft keine andere Wahl: Die brasilianische Zentralbank dreht die Zinsschraube an - auf volle acht Prozent.

Schwerpunkte der Weltwirtschaft: Der Devisenrechner der Telebörse zeigt, wo Real und Euro stehen.

Schwerpunkte der Weltwirtschaft: Der Devisenrechner der Telebörse zeigt, wo Real und Euro stehen.

(Foto: kursdaten.teleboerse.de)

Im Kampf gegen die anhaltende Inflation hat die brasilianische Notenbank das für den Real maßgebliche Zinsniveau nach oben geschraubt. Die Banco Central do Brasil (BCB) hob ihren Leitzins von 7,50 Prozent auf 8,0 Prozent an.

Die Entscheidung im geldpolitischen Ausschuss sei einstimmig getroffen worden, teilte die Zentralbank mit. Der Schritt soll erklärtermaßen dazu beitragen, den Preisauftrieb einzudämmen. Es ist bereits der zweite Zinsschritt binnen weniger Wochen.

Erst vor rund eineinhalb Monaten hatte die BCB angesichts der weiter anziehenden Inflation den Zinssatz erhöht. Mitte April hatte die Zentralbank den Zinssatz zum ersten Mal seit Juli 2011 angehoben.

Der neuerliche Schritt nach oben war energischer als erwartet: Die meisten Analysten hatte nur mit einer moderaten Anhebung um 25 Basispunkte gerechnet. "Schlussendlich sind sie aufgewacht", kommentierte Paulo Faria-Tavares vom Beraterhaus PTX Lending in Sao Paulo die Entscheidung im Hinblick auf das brasilianische Inflationsproblem. Die Notenbanker müssten weiter wach bleiben, forderte er, sonst funktioniere es nicht.

Heikle Gratwanderung

Beobachtern zufolge steckt die Zentralbank in einem schwierigen Dilemma: Die wirtschaftliche Dynamik Brasiliens hat erheblich an Schwung verloren. Im ersten Quartal legte das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zu den drei Monaten zuvor nur um 0,6 Prozent zu. Gemessen an den bisherigen Wachstumsraten des aufstrebenden Schwellenlandes ist das ein bemerkenswert schwaches Wirtschaftswachstum. Zugleich steigt die Teuerung, ein Faktor, der vor allem Sparern und Verbrauchern mehr und mehr zu schaffen macht.

Zwischen diesen beiden Polen müssen die Währungshüter nun mit ihrer Geldpolitik den richtigen Kurs finden: Steigende Zinsen drohen die konjunkturelle Entwicklung zu drosseln, niedrige Zinsen heizen den Preisauftrieb an.

Die Zwölfmonatsrate der brasilianischen Inflation liegt offiziellen Angaben zufolge derzeit bei 6,46 Prozent - Tendenz steigend. Aktuell bewegt sich die Inflation damit gefährlich nahe an der von der Regierung gesetzten Obergrenze. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Inflationsrate auf Jahressicht aktuellen Daten zufolge bei 1,5 Prozent. Binnen Monatsfrist stiegen die Verbraucherpreise um 0,4 Prozent.

Brasilien will die Jahresteuerung eigentlich in einer vergleichsweise breiten Spanne von 2,5 bis 6,5 Prozent halten. Wenn die Grenzen über- oder unterschritten werden, muss die Regierung handeln. Das zumindest sieht ein Gesetz aus dem Jahre 1999 vor, das dem geldpolitischen Spielraum von Regierung und Notenbank enge Grenzen zieht.

Die Europäische Zentralbank hat sich im Vergleich dazu deutlich engere Grenzen gesetzt: Im Euroraum gilt die Alarmschwelle bereits bei einer Preissteigerungsrate von mehr als 2,0 Prozent als überschritten.

Das Ende der BRIC-Story?

Zur Begründung ihrer Entscheidung gab die Notenbank nur ein kurzes Statement ab. "Sie konzentrieren sich voll darauf, die Inflation zu bekämpfen", erklärte Jankiel Santos, Ökonom bei Investmentfonds BES. Dies belege auch das einstimmige Votum. Santos geht davon aus, dass der Zinssatz weiter steigen wird.

Vertreter der brasilianischen Wirtschaft kritisierte den Schritt: Die Zinserhöhung komme zur Unzeit, hieß es vom Präsidenten der mächtigen Industrievereinigung von Sao Paulo, Paulo Skaf. Höhere Zinsen würden die Konjunkturerholung abwürgen, warnte er. Dann sei nur noch mit einem Wachstum auf Jahressicht von rund 2 Prozent zu rechnen.

Für international agierende Investoren wäre eine solche Wachstumsrate eine herbe Enttäuschung: In den vergangenen Jahren galt Brasilien als verlässlicher Motor der Weltwirtschaft. Im Rahmen der sogenannten "BRIC-Story" befassten sich Analysten und Anlageberater mit der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung aufstrebender Schwellenländer. Die Abkürzung BRIC steht dabei für Brasilien, Russland, Indien und China.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen