Wirtschaft

Sorge vor Gegensanktionen Boeing bunkert Titan aus Russland

Trotz der Krise müsse Boeing für Titan aus Russland nicht mehr als früher zahlen.

Trotz der Krise müsse Boeing für Titan aus Russland nicht mehr als früher zahlen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Ukraine-Krise trifft nun auch die Flugzeugbauer: Die beiden US-Konzerne Boeing und United Technologies horten einem Medienbericht zufolge Titanteile des russischen Herstellers VSMPO-Avisma. Aber auch Airbus zählt zu dessen Kunden.

Die Ukraine-Krise holt die US-Flugzeugbauer mit voller Wucht ein. Boeing und der Mischkonzern United Technologies horten mittlerweile in großem Stil Bauteile aus Titan. Das berichtet die Nachrichtenagentur Dow Jones mit Verweis auf Angaben aus Branchenkreisen.

Die Unternehmen wappneten sich auf diese Weise für den Fall, dass die Spannungen zwischen Washington und Moskau die Lieferungen durch den russischen Produzenten austrocknen. Beide Luftfahrtkonzerne hängen von dem Metall beim Bau von Jets und Flugzeug-Komponenten ab.

Die Firmen stocken bereits seit März ihre Lager auf. Bisher hatten sie diese Strategie aber nicht publik gemacht. Seit die Spannungen mit Kämpfen in der Ostukraine eskalieren, sind Boeing und United Technologies besonders nervös - und das, obwohl die westlichen Sanktionen Titan überhaupt nicht betreffen.

US-Luftfahrtunternehmen sind in einer äußerst unbequemen Position. Beide Firmen treten nicht nur als bedeutende Vertragspartner für das US-Militär auf, sondern pflegen auch enge Kontakte zu den größten russischen Rüstungskonglomeraten.

Auch Airbus wird aus Russland beliefert

Boeing, United Technologies und die europäische Airbus Group kaufen große Teile ihres Titanbedarfs von der russischen VSMPO-Avisma, dem weltgrößten Produzenten. VSMPO wiederum ist eine Tochter des staatlichen Industriemischkonzerns Rostec. Dieses Unternehmen lenkt unter anderem Konstruktion und Herstellung der bekannten Kalaschnikow-Waffen.

Es sind nur vier Unternehmen weltweit, die 90 Prozent der rund 50.000 Tonnen Titan liefern, die jedes Jahr in der Luftfahrt verarbeitet werden. Eines davon ist VSMPO, das auf 30 Prozent der Gesamtmenge kommt, so Unternehmensberater Kevin Michaels von ICF SH&E. VSMPO exportiert an Boeing zudem rund 35 Prozent des Titans, das Boeing für seine Verkehrsflugzeuge verwendet.

Das Metall Titan ist ein sehr fester, aber leichter Werkstoff und wird in vielen Branchen verwendet. Die Luftfahrt und der Verteidigungssektor sind die größten Abnehmer. Neuere Maschinen von Boeing und Airbus nutzen das Material für stark belastete Bauteile wie etwa im Fahrwerk.

Boeing und United Technologies halten bei Sonderteilen inzwischen den Bedarf von sechs Monaten auf Lager, erklärten Branchenvertreter. Ersatzlieferanten sind nicht so leicht zu finden. Aufgrund der hohen Sicherheitsanforderungen könnten sie die benötigten Teile möglicherweise erst nach Monaten mit den korrekten Herstellerzertifizierungen bereitstellen.

Boeing durch Handelsbeziehungen geschützt?

Der US-Konzern Boeing und andere US-Firmen haben seit Ende des Kalten Krieges intensive Handelsverbindungen mit Russland aufgebaut. Boeing etwa rüstet Aeroflot-Russian Airlines und andere Fluggesellschaften mit Jets aus dem Westen aus. Im Jahr 2007 gründeten die US-Amerikaner ein großes Produktions-Joint-Venture mit VSMPO. Noch im November kündigte Boeing den Bau einer zweiten Produktionsstätte im Ural an.

Boeings Partnerschaft mit Russland habe enorm dazu beigetragen, dass Moskau davon absehe, die Titan-Lieferungen auszusetzen, sagt Präsident Shep Hill. "Wenn Sie Geschäftsbeziehungen aufgebaut haben, die zum gegenseitigen Vorteil sind, ist es schwer das Band zu durchtrennen", bekräftigte Hill. Trotz der Krise müsse Boeing für Titan nicht mehr als früher zahlen.

Kiew ist wichtiger Grundstoff-Lieferant

Die potenzielle Wirkung der Ukraine-Krise auf die Titan-Wertschöpfungskette wird dadurch verkompliziert, dass Kiew nahezu alle Titan-Konzentrate liefert, die VSMPO für die Produktion von Rohtitan benötigt. Diese Lieferungen an den übermächtigen Nachbarstaat hat das Land bisher überraschenderweise nicht eingestellt.

VSMPO stockt nach eigenen Angaben trotzdem seine Lager mit ukrainischem Titan auf. "Es gibt ausreichend Lagerbestände, um unsere Fabriken acht Monate lang weiter zu betreiben", betont Vorstandschef Michail Wojewodin. Zugleich verwies er auf Zuliefereralternativen in Vietnam, Afrika oder Australien.

Die Russen zu ersetzen wäre aber eine Mammutaufgabe für die internationale Luftfahrtbranche. "Das wäre unglaublich schwierig", meint Michaels von ICF SH&E für den Fall eines Lieferabbruchs.

Boeing hatte bereits vor der Ukraine-Krise Titan gehortet, um das Metall während der Produktionsverzögerungen für den 787 "Dreamliner" ausreichend in Reserve zu haben, heißt es aus Branchenkreisen. Dieser Puffer sei inzwischen aber weitgehend aufgebraucht, erklärte ein Experte, da sich die Fertigung der Dreamliner zuletzt kräftig beschleunigt habe.

Quelle: ntv.de, kst/DJ

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