Wirtschaft

Pilotengewerkschaft Cockpit "Bei Air Berlin herrschen Angst und Wut"

Mit ihrer als "Sick out" bezeichneten Arbeitsverweigerung könnten die Piloten die Air-Berlin-Flotte endgültig lahmlegen.

Mit ihrer als "Sick out" bezeichneten Arbeitsverweigerung könnten die Piloten die Air-Berlin-Flotte endgültig lahmlegen.

(Foto: REUTERS)

Rund 200 Piloten bei Air Berlin melden sich krank und riskieren damit die Existenz des angeschlagenen Unternehmens. Markus Wahl von der Gewerkschaft Cockpit erklärt im Interview mit n-tv.de, warum die Piloten so verzweifelt sind.

Rund 200 Air-Berlin-Piloten haben sich krank gemeldet und riskieren damit den Weiterbetrieb des angeschlagenen Unternehmens und ihre eigenen Arbeitsplätze. Markus Wahl, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Cockpit, erklärt im Interview mit n-tv.de, warum die Piloten so verzweifelt sind. 

n-tv.de: Die Vereinigung Cockpit verlangt von Air Berlin Verhandlungen. Worum geht es da genau?

Markus Wahl: Das wichtigste derzeit ist, mit Air Berlin gemeinsam festzulegen, wie es für die Mitarbeiter weitergeht: zum Beispiel festzulegen, nach welchen sozialen Kriterien bei einem eventuellen Arbeitsplatzabbau oder beim Übergang in ein neues Unternehmen vorgegangen wird. Dass sich Air Berlin weigert, darüber zu sprechen und stattdessen nur auf die Interessen möglicher Investoren verweist, sorgt für Angst, Verzweiflung und Wut bei den Mitarbeitern.

Ist Air Berlin angesichts der Insolvenz und des fortgeschrittenen Bieterverfahrens überhaupt noch der richtige Ansprechpartner für solche Frage? Müssten Sie nicht, wie es die Kabinengewerkschaft Ufo bereits getan hat, sich mit solchen Anliegen an mögliche Käufer wie die Lufthansa wenden?

Markus Wahl ist Vorstandsmitglied und Pressesprecher der Pilotengewerkschaft Cockpit.

Markus Wahl ist Vorstandsmitglied und Pressesprecher der Pilotengewerkschaft Cockpit.

Beides ist nötig. Mit den aufnehmenden Unternehmen wie möglicherweise der Lufthansa müssen wir gegebenenfalls darüber sprechen, zu welchen Bedingungen, für welches Gehalt und so weiter die Air-Berlin-Mitarbeiter dort künftig arbeiten können. Mit Air Berlin allerdings müssen wir aushandeln, wer in welche Reihenfolge überhaupt abgegeben wird. Eines werden wir auf keinen Fall hinnehmen: dass sich die Air-Berlin-Crews komplett neu bewerben müssen, und sich der neue Arbeitgeber dann aussortieren kann: Der eine etwa ist mir zu gewerkschaftsnah, der andere zu alt und so weiter.

Kann die Idee aufgehen, in dieser Situation mit einer Art Arbeitskampf, Druck auf das Unternehmen auszuüben?

Angesichts der totalen Verweigerungshaltung des Arbeitgebers kann ich die Verzweiflung verstehen, die zu der Arbeitsverweigerung, dem "Sick out", geführt hat. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass Air Berlin "gegroundet", der Flugbetrieb eingestellt werden muss. Dann gäbe es kaum noch etwas zu verhandeln im Sinne der Mitarbeiter.

Was raten Sie den Kollegen? Einfach weiterarbeiten und die Haltung der Unternehmensleitung akzeptieren?

Die Mitarbeiter müssen klar zum Ausdruck bringen, dass sie Rechte haben und dass diese derzeit vom Arbeitgeber mit Füßen getreten werden. Klassischerweise sind dafür die gewählte Mitarbeitervertretung und die Gewerkschaften zuständig. Wenn der Arbeitgeber sich verweigert, gibt es verschiedene Reaktionsmöglichkeiten. Der unkoordinierte "Sick out" macht es für uns allerdings schwierig.

Wie dramatisch ist die berufliche Situation der Piloten? Es heißt doch, dass die neuen Eigner auf jeden Fall auf die Air-Berlin-Crews angewiesen sein werden. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt gilt zudem als sehr gut für Piloten.

Stellen Sie sich vor, Sie sind derzeit Pilot bei Air Berlin und lesen jeden Tag etwas anderes in der Presse. Mal sollen Sie künftig zur Lufthansa gehören, mal vom Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl gerettet werden. Es sind Zahlen im Umlauf, dass die Piloten bei einem neuen Eigentümer auf 20 bis 40 Prozent ihres Gehalts verzichten sollen. Dazu dürften Verschlechterungen bei Arbeits-, Ruhezeit und so weiter kommen. Gleichzeitig weigert sich der Arbeitgeber, auf die Mitarbeiter zuzugehen und mit deren Vertretern - nicht nur mit uns  - zu sprechen. Das sorgt für eine große Unsicherheit und Angst.

Mit Markus Wahl sprach Max Borowski

Quelle: ntv.de

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