Wirtschaft

Droht eine Mauer? Autobauer fürchten US-Protektionismus

VW-Produktion im mexikanischen Puebla.

VW-Produktion im mexikanischen Puebla.

(Foto: dpa)

Der designierte US-Präsident Donald Trump machte im Wahlkampf aus seiner Aversion gegen das Freihandelsabkommen TTIP keinen Hehl. Selbst die 22 Jahre alten Verträge mit Kanada und Mexiko sind kein Tabu. Die deutschen Autobauer erwischt das kalt.

Die Erwartungen an das Freihandelsabkommen TTIP zwischen EU und USA waren hoch: "Derzeit verschwenden wir Geld, weil wir jeweils unterschiedliche Spiegel, Blinker oder Rücklichter benötigen", klagte Daimler-Chef Dieter Zetsche im vergangenen Jahr bei einer Veranstaltung mit anderen Autobossen. Allein der Wegfall der Zollschranken würde der deutschen Automobilindustrie mehr als eine Milliarde Euro sparen, rechnete der VDA vor.

Der Abbau weiterer Handelshemmnisse - etwa unterschiedlicher technischer Vorschriften - habe einen noch größeren Hebel. Studien zufolge wirkten die Hemmnisse wie ein zusätzlicher Zoll von 26 Prozent, heißt es beim Autoverband. Doch die letzte Hoffnung auf ein gutes Ende für TTIP schwindet mit dem Wahlsieg Donald Trumps. "TTIP dürfte damit tot sein", sagte der Chef des Autozulieferers ElringKlinger, Stefan Wolf.

Der designierte US-Präsident machte im Wahlkampf keinen Hehl daraus, was er von Freihandel hält und wie er den heimischen Herstellern im früheren Industriezentrum ("Rust Belt") den Vorzug geben würde. Dabei wären die Folgen im Falle des transatlantischen Abkommens absehbar: "Stocken die TTIP-Verhandlungen und bleibt der Status Quo, gibt es keine Gewinner auf beiden Seiten", sagt Peter Fuß von der Wirtschaftsberatung Ernst & Young (EY). Am wenigsten dürften die Autobauer leiden, die schon in den USA produzieren.

"Wenn es zu Protektionismus käme, wäre das am wenigsten schlimm für Daimler und BMW", meint Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft in Nürtingen-Geislingen. Die Bayern und Schwaben produzierten im vergangenen Jahr fast alle ihre in den USA verkauften Autos vor Ort, betont Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut von der Universität Duisburg-Essen.

Was passiert mit in Mexiko gebauten Autos?

Für die VW-Gruppe hingegen war das Verhältnis im vergangenen Jahr deutlich schlechter. Die meisten von VW für Nordamerika gebauten Autos kamen aus Mexiko. Bislang war das kein Fehler. Fast alle großen Autohersteller haben in den vergangenen Jahren Fabriken südlich der Vereinigen Staaten hochgezogen. Es lockten niedrige Löhne gepaart mit dem ungehinderten Marktzugang in die USA. "Die Prognosen waren, dass bis 2025 gut fünf Millionen Autos in Mexiko gebaut werden", rechnet Dudenhöffer vor. "Das könnte jetzt gebremst werden, wenn Trump seine Mexiko-Politik wirklich umsetzt und das Nafta-Abkommen ändern würde."

Das Handelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko sorgt für Handelserleichterungen, indem zum Beispiel Zölle abgebaut wurden. Würden diese Schranken wieder aufgebaut, blieben die deutschen Autohersteller auf ihren Produktionskapazitäten sitzen, so Dudenhöffer. 2015 habe VW mehr als 450.000 Neuwagen in Mexiko produziert. Erst im September dieses Jahres hat Audi in Mexiko ein rund eine Milliarde Euro teures Werk für sein SUV-Modell Q5 eröffnet. Daimler zieht mit seinem Partner Renault-Nissan ein ähnlich teures Werk in Aguascalientes hoch, in dem nächstes Jahr die ersten Autos vom Band laufen sollen. Auch BMW will von 2019 an Autos in dem lateinamerikanischen Land bauen.

Künftige Investitionsentscheidungen dürften angesichts der wachsenden Unsicherheit vorerst nicht fallen. ElringKlinger habe Überlegungen um einen zweiten Standort in Mexiko erst einmal auf Eis gelegt, sagt Firmenchef Wolf. Stattdessen werde darüber nachgedacht, in den USA zu erweitern.

Vorteil für hiesige Produktionsstätten

Nach Einschätzung von EY-Experte Fuß könnte die weltweit wachsende Unsicherheit den Fabriken hierzulande nutzen: "Die Volatilität steigt weltweit. Deshalb wird mehr in Deutschland investiert." Einzelne Investitionsentscheidungen im Ausland würden bereits rückgängig gemacht. Nach dem Einbruch des russischen Automarktes zog sich die GM-Tochter Opel beispielsweise aus dem Land zurück. Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach sieht eine gegenläufige Bewegung: "Man muss dorthin, wo die Wachstumsmärkte sind", sagt er, "auch weil sich nationalistische Tendenzen verstärken, um Arbeitsplätze im Markt zu halten." In China haben auch die Lokalisierungs-Vorgaben der Regierung für den Aufbau der Autoproduktion im Land gesorgt.

Mit Blick auf die USA gibt man die Hoffnung nicht auf, dass Trumps Ideen nicht 1:1 umgesetzt werden. Daimler-Chef Zetsche betonte vergangene Woche, er wolle erst einmal abwarten, was Trump nach seinem Amtsantritt tue. "Was sich in Wahlkämpfen abspielt, beschreibt nur bedingt, was nach der Wahl zu erwarten ist."

Quelle: ntv.de, Annika Grah, dpa

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