Wirtschaft

Japan macht Börsianer wuschig Anleger warten auf das Helikoptergeld

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(Foto: REUTERS)

Die Aktienmärkte notieren höher als vor dem überraschenden Brexit-Votum. Und das, obwohl die Risiken für die Weltwirtschaft zugenommen haben. Denn Japan sorgt für viel Fantasie.

Japan ist mal wieder das Versuchslabor der globalen Ökonomie. In den 90er Jahren war die Bank of Japan die erste Notenbank der Welt, die Quantitative Easing, also den Ankauf von Staatsanleihen, in großem Stil in der Geldpolitik eingesetzt hat. Heute wird diese Form der Geldpolitik von zahlreichen bedeutenden Notenbanken praktiziert.

Doch die ultra-lockere Geldpolitik geht vielleicht bald einen Schritt weiter: Möglicherweise führen die Japaner das so genannte Helikoptergeld bald ein.

Was ist das eigentlich? Helikoptergeld bedeutet, dass der Staat neue Staatsanleihen nicht mehr am Anleihenmarkt platziert, sondern direkt an die Notenbank verkauft, die neuen Schulden also direkt durch die Geldpresse finanziert werden.

Mit dem zusätzlichen Geld kann der Staat beispielsweise in die Infrastruktur investieren, die Steuern senken oder den Staatsdienern eine kräftige Gehaltserhöhung geben. Im Gegensatz zu den bisherigen QE-Gelddruckprogrammen, bei denen die Notenbank die Anleihen am Finanzmarkt kauft, kann die Regierung mit Helikoptergeld die Wirtschaft zumindest kurzfristig stimulieren. Gleichzeitig wird damit die Inflation ordentlich angeheizt, weil die Geldmenge kräftig steigt.

Investoren blicken daher gespannt auf die nächste Sitzung der japanischen Notenbank, deren Ergebnisse am frühen Freitagmorgen deutscher Zeit bekannt gegeben werden. Experten gehen davon aus, dass Notenbankchef Haruhiko Kuroda die Geldpolitik weiter lockern und die Zinsen von minus 0,1 Prozent auf minus 0,2 Prozent senken wird, also noch tiefer in den Strafzinsbereich drücken wird.

"Helikopter-Ben"

Möglicherweise wird es auch eine Ankündigung für das Helikoptergeld geben, denn Mitte Juli hatte sich Ben Bernanke, seines Zeichens ehemaliger Chef der US-Notenbank Fed, mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe und Kuroda zu Beratungen getroffen. Der amerikanische Volkswirt Milton Friedman hatte den Begriff Helikoptergeld erfunden, den Bernanke in einer aufsehenerregenden Rede im Jahr 2002, also etliche Jahre vor seinem Amtsantritt als Fed-Chef im Februar 2006, verwendet hatte. Seitdem wird Bernanke von Kritikern als "Helikopter-Ben" bezeichnet.

Die Aussicht auf Helikoptergeld beflügelt derweil den weltweiten Aktienmarkt. Einerseits würde ja die japanische Wirtschaft angekurbelt, woraufhin sie mehr Güter vom Weltmarkt nachfragen würde, womit die Weltwirtschaft insgesamt beflügelt würde. Damit würden sich die Geschäftsperspektiven für etliche exportabhängige Dax-Unternehmen aufhellen.

Andererseits belastet die Aussicht auf ein noch stärkeres Gelddrucken in Japan den Yen gegenüber dem Dollar, womit der berühmt-berüchtigte Carry Trade wieder ins Laufen kommt. Das geht so: Der Yen hatte jahrelang gegenüber dem Dollar abgewertet, woraufhin die Investoren verstärkt Kredite auf Yen-Basis aufgenommen und das Geld in riskante Vermögenswerte gesteckt hatten - wie beispielsweise europäische und US-Aktien.

Investoren profitieren mit dem Carry Trade von Währungsgewinnen sowie von Kursgewinnen am Aktienmarkt. Das geht aber nur solange gut, wie der Yen fällt. In Krisenzeiten flüchten Investoren jedoch in den Yen, weshalb er deutlich steigt - was den weltweiten Aktienmarkt belastet. Wegen der Aussicht auf Helikoptergeld war der Yen zwischenzeitlich deutlich im Rückwärtsgang, woraufhin der Börsenwert des weltweiten Aktienmarkts zuletzt auf umgerechnet 64,8 Billionen Dollar gestiegen ist. Damit ist der Wert um knapp eine Billion Dollar höher als vor dem überraschenden Brexit-Votum, obwohl die Risiken für die Weltwirtschaft größer sind als vor dem Brexit.

Wie groß wird die Geldspritze?

"Für die japanische Wirtschaft, die Währung und den Aktienmarkt wird es daher entscheidend sein, wie groß das Konjunkturprogramm sein wird, das die Notenbank auflegt. Je größer das Gelddrucken der Notenbank ist, umso mehr sollte das den Yen schwächen und den Aktienmarkt stützen – zumindest kurzfristig. Grundsätzlich fehlt es der japanischen Wirtschaft jedoch an Reformen, die den Wachstumspfad anheben. Dieses Versäumnis kann nicht nachhaltig durch Gelddrucken kompensiert werden", sagt Klaus Bauknecht, Chef-Volkswirt der IKB Deutsche Industriebank im Gespräch mit n-tv.de.

Die neuesten Nachrichten aus Japan haben Investoren allerdings etwas verunsichert. Nachdem zuvor Gerüchte eines Konjunkturprogramms von bis zu 20 Billionen Yen (191 Milliarden Dollar) kursierten – das sind stattliche vier Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung – schrieb die Zeitung "Nikkei", dass sich die zusätzlichen Ausgaben möglicherweise nur auf 6 Billionen Yen (57 Milliarden Dollar) belaufen könnten. Das hat etliche Investoren verunsichert, wenngleich das gesamte Programm inklusive von Staatskrediten und Bürgschaften 20 Billionen Yen erreichen soll.

Dennoch ist der Yen nach dem zwischenzeitlichen deutlichen Rückgang etwas gestiegen und lag zuletzt bei 104,50 Yen je Dollar. Das bremst den Aufwärtstrend am weltweiten Aktienmarkt kurzfristig. Viele Investoren setzen dennoch darauf, dass die japanische Regierung eher höhere zusätzliche Ausgaben anpeilen wird, bevor die Regierung am 2. August nähere Details ihrer Pläne veröffentlicht. Anleger sollten daher das Währungspaar Dollar-Yen weiter genau im Auge behalten. Sollte der Yen wieder nach unten drehen, würde der weltweite Aktienmarkt neuen Rückenwind bekommen.

Quelle: ntv.de

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