Wirtschaft

Ließ sich Google zu viel Zeit? Amazon schnappt sich Twitch

Kurz nach Börsenschluss geht ein Raunen durch die Reihen der Händler: Amazon übernimmt eine Video-Website für Gamer und legt dafür knapp eine Milliarde Dollar auf den Tisch. Branchenkennern zufolge geht es um die Zukunft des Digital-Geschäfts.

In den USA setzt sich die Serie an spektakulären Zukäufen fort: Der Online-Händler Amazon übernimmt für rund eine Milliarde Dollar die Video-Website Twitch.tv. Dort können Fans populärer Computerspiele Live-Mitschnitte zum Spielverlauf veröffentlichen. Der Streaming-Dienst kam zuletzt auf rund 55 Millionen Nutzer. Etwa eine Million davon veröffentlicht aktiv Videos im Netz, der Rest schaut zu und nutzt Twitch als Online-Medium mit Videobeiträgen aus der Spielewelt.

Das Interesse an Games verwandelt sich durch den Zukauf an der Wall Street zu barem Geld: Der US-Konzern zweigt für die Übernahme eine stattliche Summe aus dem laufenden Betrieb ab - und das, obwohl Amazon im zurückliegenden Quartal einen Nettoverlust von rund 126 Millionen Dollar ausweisen musste. Der Kaufpreis liege bei rund 970 Millionen Dollar in bar, teilte Amazon nach US-Börsenschluss mit. Kurz zuvor war die Aktie mit einem leichten Aufschlag von knapp 0,7 auf 333,82 Dollar aus dem Handel gegangen.

Für Amazon ist die Übernahme von Twitch einer der größten Zukäufe überhaupt. Das geschäft unterstreicht zugleich die Ambitionen von Konzernchef Jeff Bezos, auch über das angestammte Handelsgeschäft hinaus zu einem wichtigen Anziehungspunkt im Netz zu werden. Dazu investiert der Konzern kräftig in eigene TV- und Spieleangebote. "Es ist klar, dass Amazon mehr Inhalte auftreiben will, die es kontrollieren kann", sagte James McQuivey vom Analysehaus Forrester. Twitch passe gut zu dieser Strategie.

Google hat das Nachsehen

Ein Online-Händler sichert sich eine Videoplattform: Amazon hat mit Twitch viel vor.

Ein Online-Händler sichert sich eine Videoplattform: Amazon hat mit Twitch viel vor.

(Foto: REUTERS)

Gerüchte über eine mögliche Übernahme von Twitch kursierten am Markt bereits seit Mai. Als wahrscheinlic her Käufer war zunächst allerdings der Suchmaschinenanbieter und Werbevermarkter Google gehandelt worden. Der Internet-Konzern mit seiner reichweitenstarken Videoplattform Youtube habe sich aber mit Blick auf mögliche Probleme mit Wettbewerbshütern zurückgehalten, berichtete das Magazin "Forbes".

Das "Wall Street Journal" hatte zu Wochenbeginn wenige Stunden vor Bestätigung der Twitch-Übernahme durch Amazon bereits von einem mutmaßlichen Kaufpreis von mehr als 1 Milliarde Dollar berichtet. Beim Online-Dienst "The Information", der als erster den Namen Amazon als Käufer nannte, hieß es, auch Google habe rund eine Milliarde Dollar bezahlen wollen.

Amazon rückt an die Zielgruppe ran

Twitch war vor gut drei Jahren eher als Nischenangebot gestartet. Der Dienst gewann schnell an Popularität vor allem bei jungen Internetnutzern. Auf der Internetseite können registrierte Zuschauern live gezeigte Spiele verfolgen und sowohl untereinander mit anderen Zuschauern als auch mit den Spielern selbst kommunizieren. Das hohe Interesse an dem Dienst bringt dem Unternehmen immer mehr Werbeeinnahmen ein.

Durch den Zukauf stärkt Amazon seine Position im Wettbewerb um jüngere Bevölkerungsschichten und bringt sich Branchenkennern zufolge vor allem auch als ernstzunehmender Konkurrent für Google in Stellung. Medienberichten zufolge will der Online-Händler demnächst auch ein eigenes System zur Vermarktung von digitalen Werbeanzeigen im Internet starten. Amazon betreibt zudem auch ein eigenes Geschäft mit Online-Spielen auf Basis des Betriebssystems Android.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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