Wirtschaft

Herren der Lüfte kämpfen am Boden Airbus, Boeing und die Pannenserien

Größer und schneller? Billiger und schneller: Airbus und Boeing kämpfen am Boden um ihr Image.

Größer und schneller? Billiger und schneller: Airbus und Boeing kämpfen am Boden um ihr Image.

(Foto: picture alliance / dpa)

A380, A400M, Dreamliner: Airbus und Boeing kämpfen mit Pannen. Die Probleme liegen in der Produktion - die Lösungen aber auch. Und so findet der neue Zweikampf der Luftfahrt-Giganten nicht am Himmel sondern am Boden statt. Airbus scheint im Vorteil.

Produktionsfehler in einer Airbus-Fabrik nahe Hamburg haben den europäischen Flugzeugbauer vor zehn Jahren in eine Krise geführt. Heute ist die Anlage eine hocheffiziente Vorzeigefabrik, wo Passagiermaschinen so schnell wie nie zuvor produziert werden sollen. "Das ist eine komplett neue Herangehensweise", sagt Horst Zapp, Produktionsspezialist bei Airbus, während er einen halbfertigen A350 begutachtet. Es ist das neuste Modell des Flugzeugbauers und das Kernstück der neuen Herstellungsprozesse.

Airbus-Manager hoffen, dass dieser Wandel dem Konzern einen entscheidenden Vorsprung gegenüber dem Konkurrenten Boeing verschaffen wird. Jahrelang wetteiferten sie bei der Entwicklung und Vermarktung neuer Modelle. In den nächsten Jahren wird sich alles um das effiziente Abarbeiten der vollen Auftragsbücher drehen.

Schneller und besser

Beide Konzerne wollen sich Marktanteile sichern, indem sie Flugzeuge schneller und besser bauen als die Konkurrenz. "Es ist kein Zufall, dass wir in den letzten drei Jahren nicht mehr vom Zeitplan abgekommen sind", sagt Fabrice Bregier, Vorstandsvorsitzender der Passagierflugzeugsparte.

2005 versuchte Airbus an diese m Standort, die Produktion des weltgrößten Passagierflugzeugs A380 zu beschleunigen, schaffte die Auslieferung jedoch erst 2007. Boeing erlebte kurz darauf ein ähnliches Debakel mit dem 787 Dreamliner, der 2011 auf den Markt kam. Beide Hersteller haben diese Erfahrungen genutzt: "In den letzten vier bis fünf Jahren haben beide viel gelernt", sagt Aengus Kelly, Vorstandschef von AerCap Holdings, einer der größten Flugzeug-Leasing-Firmen der Welt. Kelly hat sowohl Exemplare des A350 als auch des Dreamliners bestellt und sagt, dass sie pünktlich und ohne Probleme ankämen.

Airbus wendet diese Erfahrungen jetzt bei der Herstellung des neuen A350 an. Das Modell soll mit dem Dreamliner von Boeing und der größeren 777 konkurrieren. Zapp, der als Experte an dem Projekt beteiligt ist, hat zuvor am A380 mitgearbeitet. Das Projekt hatte für Turbulenzen bei Airbus gesorgt, als Probleme mit der Verkabelung in der Hamburger Fabrik zu milliardenschweren Mehrkosten, wütenden Kunden und jahrelangen Management-Streitigkeiten führten.

Beim neuen A350 werden Maschinen von Lasern geführt, während sie riesige Rumpfteile zusammenbauen. Der Prozess soll laut Zapp 30 Prozent schneller und 40 Prozent billiger sein als der beim A380. Dank solcher Verbesserungen konnte de A350 seit Mitte 2012 seinen Zeit- und Budgetplan einhalten. Im Januar nahm eine Maschine des Typs A350 erstmals bei Qatar Airways den Betrieb auf.

Probleme bleiben

Doch es läuft nicht immer so glatt bei Airbus. Der Militärtransporter A400M, der bis vor kurzem noch in Bregie rs Hoheitsgebiet fiel, wird seit Jahren von steigenden Kosten und Verspätungen geplagt. Vergangenen Monat stürzte eine A400M in Spanien ab, vier Airbus-Mitarbeiter starben. Die Militärs einiger Länder haben dem Flugzeug vorübergehend Startverbot erteilt, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind.

Auch der A380 bleibt ein Problem. Die Nachfrage ist gering; Kunden haben Dutzende Bestellungen zurückgezogen. Airbus hofft, bald nicht mehr bei jeder Auslieferung Geld zu verlieren, doch Insider sagen, dass der Konzern womöglich nie einen Gewinn mit dem 15 Milliarden Dollar schweren Projekt erzielen wird.

Weitere Fehltritte unerwünscht

Boeing hat mit Produktionsfehlern beim Dreamliner noch größere Kosten angehäuft, doch der Konzern will dank über 1100 Bestellungen für die 787 letztendlich doch noch einen Gewinn mit dem Flugzeugtyp erzielen.

Keines der Unternehmen kann sich jetzt noch Fehltritte leisten, da Flugzeugbauer in China, Russland und Kanada mit kleineren Massenmodellen mit dem Duopol Airbus-Boeing mithalten wollen. Erschwert wird eine schnelle Produktion neuer Modelle dadurch, dass Airbus und Boeing gleichzeitig noch Rekordmengen an älteren Modellen produzieren müssen. Die Fabriken von Flugzeugbauern und Zulieferern laufen heiß, um die Nachfrage zu decken.

"Es geht nicht nur darum, mehr Flugzeuge zu bauen, sondern auch darum, sie effizienter, hochwertiger, mit verlässlicheren Komponenten und mehr Arbeitersicherheit zu bauen", sagt Boeing-Vorstandschef Jim McNerney vergangenen Monat zu Investoren.

Als Boeing 1997 versuchte, die Produktion der beliebten 737 innerhalb eines Jahres zu verdoppeln, waren die Produktionssysteme noch nicht so weit. Chaotische Fabriken und unfertige Flugzeuge führten mitten in einem Umsatzboom unter dem Strich zu schmerzhaften Verlusten.

Im Dezember 2012 schuf Boeing eine Entwicklungssparte für Passagier-Jets, um die Entscheidungs- und Fertigungsprozes se zu beschleunigen. McNerney verdankt es dieser Sparte, dass die 787-9, eine etwas größere Version des Dreamliners, die technischen Fehler des ursprünglichen Modells vermeiden konnte.

Es geht um viel

Bei Airbus will man die Produktion auf verschiedenste Weise beschleunigen, durch eine Reduzierung der Urlaubstage ebenso wie durch High-Tech-Innovationen. Mehr Effizienz ist für Airbus und Boeing besonders wichtig, da die Fertigungsprozesse so komplex sind. Einfachste Hindernisse wie Lieferengpässe bei Sitzen für die Economy-Klasse verzögern derzeit die Auslieferung von 200 Millionen Dollar teuren Maschinen.

Der 53-jährige Bregier hofft, sich mit einer problemlosen Produktion des A350 und älterer Modelle die Nachfolge von Airbus-Group-Chef Tom Enders zu sichern. Der Aufsichtsrat empfahl vergangenen Monat, Enders' Vertrag zu verlängern, der nächstes Jahr abläuft. Doch Bregier gilt als Favorit für den Posten, wenn er frei wird.

Ein Fehltritt könnte die Karriere des französischen Ingenieurs gefährden. Vor ihm verschwanden schon verschiedenste Airbus- und Boeing-Manager nach Problemen mit dem A380 und dem Dreamliner von der Bildfläche.

Bregier gilt als begabter Problemlöser. Nach einem Arbeitsaufenthalt in Japan und einer Zeit als Berater französischer Staatsminister half er bei der Sanierung verschiedener europäischer Luftfahrtkonzerne, die nicht mit den US-Rivalen mithalten konnten.

1998 wurde er erstmals so richtig auf die Probe gestellt, als er Vorstandschef der neuen französisch-britischen Rüstungskooperation MBDA wurde. 2001 kam noch ein italienischer Partner hinzu. Obwohl es bei der Entwicklung von Waffen zu Verzögerungen kam, pflegte er erfolgreich grenzüberschreitende Beziehungen unter den misstrauischen Partnern, sagt ein einstiger Kollege, der heute bei einem Konkurrenzunternehmen arbeitet.

Trotz Bregiers Vergangenheit als Mitarbeiter der französischen Regierung konnte er Vertrauen bei der britischen Regie rung aufbauen, sagt der ehemalige Kollege. Bregier nutzte diese Erfahrungen später, um Airbus zu restrukturieren, während Geschäftsbereiche in verschiedenen europäischen Staaten sich gegenseitig die Schuld an den A380-Problemen in die Schuhe schoben.

2003 wurde Bregier Chef von Eurocopter, der Helikopter-Sparte von Airbus. Dort meisterte er einen Turnaround, der zu einer stärkeren Nachfrage führte, jedoch auch neue Herausforderungen mit sich brachte: Brégier musste die Produktion steigern und schuf dazu kleine Teams aus Beratern, die die Abläufe verbessern sollten.

Hartnäckiger Bregier

Als das A380-Projekt implodierte, sollte Brégier die Probleme in der Produktion beheben und Kosten senken. "Airbus war damals in großen Schwierigkeiten", erinnert sich Eric Bernardini, ein Luftfahrtberater, der mit Bregier am Krisenmanagement arbeitete.

Bregier organisierte das Unternehmen komplett um. Seit der Gründung 1969 arbeiteten die Sparten in Frankreich, Deutschland, Spanien und Großbritannien nebeneinander her. Der Manager brachte seine Ingenieure nun dazu, über Grenzen hinaus bei der Komponentenentwicklung zusammenzuarbeiten, anstatt Bauteile nur an die im eigenen Land anzupassen. Also begann Airbus überall, identische Produktionsausrüstung anzuschaffen.

Alle zwei Wochen löcherte Bregier seine Manager zum Fortschritt bei der Umstellung. Manager verglichen diese 30-minütigen Präsentationen mit einem Zahnarztbesuch und bereiteten sich intensiv vor.

Trotz allem trugen Bregiers Anstrengungen nur langsam Früchte, vor allem beim A380. Bei neuen Flugzeugen arbeiten Hersteller oft weiter, selbst wenn ein Flugzeugteil noch fehlt, und stopfen die Löcher am Ende, um große Verzögerungen zu vermeiden.

Dazu sind jedoch viel Flexibilität und Improvisation in der Produktion nötig, und ein genauer Zeitplan wird fast unmöglich . Beim A380 und der Boeing 787 stauten sich so viele unfertige Komponenten an, dass die Arbeiter überfordert waren und immer wieder ihre Fristen nicht einhalten konnten.

2009 entschied Bregier, dass die Produktion nicht weitergehen solle, wenn ein Schritt nicht abgeschlossen werden konnte. Diese Vorgehensweise erwies sich als so effektiv, dass sie bei Airbus inzwischen Routine ist.

Als Airbus etwa zur selben Zeit die Produktion des A350 begann, übertrug Bregier diese Erfahrungen. Er veranlasste, dass verschiedenste Mitarbeiter wie Ingenieure, Einkäufer und Fertigungsmanager, die zuvor separat arbeiteten und langsam und bürokratisch kommunizierten, von Anfang an zusammenarbeiteten. So konnten sie Probleme besser vorhersehen und lösen.

Der A350-Programmchef Didier Evrard, den Bregier von MBDA zu Airbus holte, konzentrierte sich mehr darauf, wie das Flugzeug gebaut werden sollte als darauf, wie es aussehen würde.

Zu große Eile führt zum Scheitern

Schon früh ähnelte der Entstehungsprozess des A350 dem der Vorgänger: Verspätung reihte sich an Verspätung, sodass die Maschine etwa ein Jahr hinter Plan blieb. Doch Mitte 2012 begann en sich Bregiers Anstrengungen auszuzahlen. Zehn Monate später schloss der A350 seinen Jungfernflug ab, zwei Wochen vor einer selbstgesetzten Frist.

Vergangenen Dezember lieferte Airbus den ersten A350 an Qatar Airways aus, einige Tage später als versprochen, doch immer noch pünktlicher als der A380 oder der Dreamliner von Boeing. "Wir hätten wahrscheinlich noch etwas schneller sein können", sagte Bregier kurz darauf. Doch der A380 und der Dreamliner hätten gezeigt, dass zu große Eile zum Scheitern führt.

Nach diesen Erfolgen begann Bregier wieder, die Prozesse zu beschleunigen. Als Airbus vergangenes Jahr entschied, das beliebte Langstreckenmodell A330 zu überarbeiten, wurde die Entscheidung doppelt so schnell gefällt wie vier Jahre vorher beim A320. Bregiers nächste Herausforderung wird sein, die Produktion des A350 auszuweiten. Vergangenes Jahr wurde eine Maschine gebaut, 2019 sollen über 100 entstehen.

Zu den Neuheiten bei der Produktion des A350 gehört zum Beispiel auch eine vereinfachte Ergonomik: Beim älteren A330 müssen Arbeiter die Stauräume über den Sitzen Stück für Stück installieren und stundenlang an der Kabinendecke arbeiten. Im neuen A350 werden die Gepäckbehälter zuerst komplett auf Hüfthöhe zusammengebaut und dann in einem an der Decke des Flugzeugs befestigt. Der Prozess im A350 sei 30 Prozent schneller und gesünder, sagt Zapp.

Für Bregier bedeuten solche Veränderungen nicht nur eine problemlose Beschleunigung der Produktion, sondern auch einen zusätzlichen Gewinn. "Kosten reduzieren und die Produktion beschleunigen," sagt der Manager, "das ist eine gewaltige Herausforderung."

Quelle: ntv.de, Daniel Michaels und Robert Wall, DJ

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