Wirtschaft

Euphorie an den Märkten Wofür steht Macrons Wirtschaftspolitik?

Macron wurde schon als der "linke Trump" bezeichnet.

Macron wurde schon als der "linke Trump" bezeichnet.

(Foto: AP)

Aufatmen an den Aktienmärkten nach dem Sieg von Macron bei den Wahlen in Frankreich. Doch kann das Wirtschaftsprogramm des Pro-Europäers wirklich überzeugen? Zustimmung kommt aus Deutschland - aber es gibt auch Zweifler.

Eine Welle der Erleichterung macht sich nach der Präsidentschaftswahl in Frankreich in Europa breit. Die europäischen Aktienmärkte galoppieren nach oben: Der Pariser Leitindex Cac 40 legt mehr als vier Prozent zu, ebenso die Mailänder Börse. Der deutsche Leitindex Dax steigt sogar auf den höchsten Stand seiner Geschichte. Fest steht nach dem ersten Urnengang, dass der parteilose Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen in die Stichwahl am 7. Mai einziehen. An den Märkten gibt es derzeit kaum Zweifel, dass am Ende Macron die Wahl für sich entscheiden wird.

Ist Macron also der Liebling der Märkte? Zunächst einmal ist die euphorische Reaktion an den Börsen nicht in erster Linie auf den Sieg des ehemaligen Investmentbankers und Ex-Wirtschaftsministers zurückzuführen, sondern vor allem auf die Niederlage eines anderen Kandidaten: Jean-Luc Mélenchon. Denn wäre der linke EU-Skeptiker gemeinsam mit der ebenfalls europafeindlichen Le Pen in die Stichwahl gekommen, wäre eine neue EU-Krise absehbar gewesen - mit jedoch unabsehbaren Folgen für die Märkte.

So scheinen Anleger mit einer eher wachstumsfreundlichen Politik zu rechnen. Aber was ist in wirtschaftlicher Hinsicht von einem möglichen Präsidenten Macron zu erwarten? Zwischen den zwei Polen Freihandel und Protektionismus scheint der 39-jährige Politiker einen Mittelweg wählen zu wollen. Der schwächelnden Wirtschaft Frankreichs will er mit Reformen zu Leibe rücken. Gleichzeitig soll Europas Wirtschaft jedoch von störenden Einflüssen von außen geschützt werden.

50-Milliarden-Investitionsprogramm

Eines der Ziele von Macron ist, die Staatsquote in Frankreich zu verringern, also den Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt. Diese notiert mit derzeit rund 56 Prozent auf eher wachstumsfeindlichem Niveau. Da es sich überwiegend um Personalausgaben handelt, lässt sie wenig Spielraum für Investitionen und belastet Unternehmen mit hohen Steuern und Abgaben. Ihre Verringerung auf 53 Prozent bis zum Jahr 2022 soll mit Einsparungen von 60 Milliarden Euro erreicht werden.

Gleichzeitig - und im Widerspruch dazu - steht Macron für ein milliardenschweres Investitionsprogramm: 15 Milliarden Euro Steuergelder sollen etwa in die Ausbildungsförderung fließen - Macron will damit die hohe Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen, die in Frankreich bei über 20 Prozent liegt. In Deutschland sind es weniger als sieben Prozent.

Auch die Energiewende will Macron mit weiteren 15 Milliarden Euro vorantreiben und die Fokussierung Frankreichs auf die Kernkraft verringern. Davon würde der Wirtschaftszweig der erneuerbaren Energien erheblich profitieren. Weitere Milliarden sollen in das Gesundheitswesen und in die Landwirtschaft gesteckt werden. Insgesamt plant Macron ein 50-Milliarden-Euro-Paket.

Neben seinen Plänen zu staatlichen Maßnahmen weist seine Reformagenda auch wirtschaftsliberale Elemente auf. So plant er steuerliche Erleichterungen für Unternehmen und eine Lockerung des Arbeitsrechts.

Liebäugeln mit Eurobonds

Was der Wirtschaft ebenfalls gefallen dürfte, ist Macrons Bekenntnis zu Europa und dem innereuropäischen Freihandel. "Wir müssen jetzt den Wiederaufbau Europas in Angriff nehmen", hatte Macron am Abend des Wahltags seinen Anhängern zugerufen. Zu seinen Plänen zählt eine Vertiefung des Euroraums, dem er sogar einen eigenen Haushalt mit eigenem EU-Finanzminister geben will. Auch die in Deutschland unbeliebten Eurobonds - Anleihen, für die mehrere EU-Staaten gemeinsam haften - möchte Macron einführen, allerdings erst in einem zweiten Schritt.

Gleichwohl ist Macron kein Freihandels-Purist, sondern zieht auch einen gewissen Protektionismus in Erwägung. Allerdings im Unterschied zu Le Pen nicht auf Frankreich beschränkt, sondern auf die EU. So stellt er sich Europa als "schützendes" Gebilde vor und setzt sich etwa für schärfere Anti-Dumping-Regeln gegen chinesische Stahlimporte ein. Auch sollen europäische Staaten Unternehmen vor feindlichen Übernahmen schützen dürfen, wenn sie strategische Interessen bedroht sehen - was zuletzt auch in Deutschland ein Thema war.

Hinsichtlich seines EU-Protektionismus ähneln Macrons Vorstellungen in Teilen der wirtschaftlichen Agenda von US-Präsident Donald Trump. So setzt auch der Franzose sich für einen "Buy European Act" ein, der an das Trump-Dekret "Buy American, Hire American" erinnert. In Macrons Version sollen nur jene Unternehmen Aufträge durch europäische Auftraggeber erhalten, welche die Hälfte ihrer Produktion in Europa ansiedeln. Trump will mit seinem Vorstoß US-Firmen bei Regierungsaufträgen bevorzugen. Die Wochenzeitung "Zeit" hat Macron im vergangenen Jahr auch als den "linken Trump" bezeichnet.

"Konfrontationskurs zu Berlin"

Macrons Pro-Europa-Kurs und seine Reformvorhaben lassen Anleger und Vertreter der deutschen Wirtschaft Hoffnung schöpfen: "Das Ergebnis des ersten Wahlgangs der französischen Präsidentschaftswahl ist ein vielversprechendes Zeichen auch für Deutschland und Europa", sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Begrüßt wurde Macrons Sieg auch vom Branchenverband der deutschen Maschinenbauer - Frankreich ist nach den USA und China der drittwichtigste Exportmarkt der Branche.

Allerdings gibt es auch Stimmen, die vor zu viel Euphorie warnen. "Macron ist kein echter Reformer: Seine Politik wird das Problem der bedrückend hohen Arbeitslosigkeit allenfalls lindern, aber nicht lösen", argumentiert Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Auch die Pläne zur Haushaltskonsolidierung seien vage. Zudem sei Macron mit seinem Eintreten für Eurobonds "auf Konfrontationskurs zu Berlin".

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor für Macrons Wirtschaftskurs ist ein weiterer Wahltermin in Frankreich im Juni, wenn ein neues Parlament gewählt wird. "Ob er diese Reformen umsetzen kann, wird davon abhängen, ob es ihm gelingt, auch die Parlamentswahlen zu gewinnen", mahnt Clemens Fuest, Präsident des Münchener Ifo-Instituts. Offen ist auch, ob die nächste Hürde, die Stichwahl am 7. Mai gegen Le Pen, für den Hoffnungsträger der Märkte so leicht zu nehmen sein wird, wie viele hoffen.

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen