Wirtschaft

Weiter abwärts, aber schwächer Staat mischt im China-Crash mit

Dem höchsten Tagesverlust seit acht Jahren beim Shanghai Composite folgen weitere Abgaben. Am Ende fallen sie aber deutlich geringer aus. Dennoch: Auch an anderen ostasiatischen Aktienmärkten spüren die Anleger die Nachwehen des Bebens noch.

Trotz der Ankündigung Pekings, weiter mit Stützungskäufen gegen den Kursverfall an der chinesischen Börse vorgehen zu wollen, ist es auch am Dienstag mit den Kursen in Schanghai wieder bergab gegangen. Nach dem größten Kursabsturz seit acht Jahren am Montag um 8,5 Prozent, rutschte das Marktbarometer anfangs um weitere 5 Prozent ab, konnte sich im Handelsverlauf aber wieder erholen. Zeitweise drehte es sogar ins Plus. Am Ende ging der Shanghai-Composite aber 1,7 Prozent schwächer bei 3.663 Punkten aus dem Tag. Es war das dritte Tagesminus in Folge.

Shanghai Composite
Shanghai Composite 3.010,66

Um knapp 1 Prozent erholen konnte sich die Nachbarbörse in Hongkong, die am Vortag ebenfalls unter die Räder gekommen war. Auch der HSI hatte zunächst weiter nachgegeben. Neben weiteren Stützungskäufen staatlicherseits kündigte die Notenbank des Landes an, dem Geldmarkt zur Stabilisierung der Lage umgerechnet 8 Milliarden Dollar zuführen zu wollen. In Hongkong stützte zudem eine Erhebung, wonach so viele private Haushalte wie noch nie ihre finanzielle Lage positiv einschätzen.

Die Hauptursache für die neuerliche Talfahrt der Kurse nach der vorangegangenen rund dreiwöchigen Stabilisierungsphase mit einer Erholung um 18 Prozent von den jüngsten Tiefs, dürfte Analysten zufolge in illegalen kreditfinanzierten Aktiengeschäften zu finden sein. Denn Anleger, die Aktien auf Pump gekauft hätten, stünden angesichts fallender Kurse und teilweise erhöhter Nachschusspflichten unter Druck und verkauften oft auch in fallende Kurse hinein panikartig Aktien.

"Es war schon sehr ungewöhnlich …"

Das Volumen der Aktienbestände, die auf Kredit gekauft worden seien, sei mittlerweile zwar niedriger als zum Höhepunkt der Börsenkrise, es gebe aber dennoch weiter Anlass zur Sorge, hieß es. Am Montag lag es laut Daten von Wind Information bei 225 Milliarden Dollar. Die stärksten Kursverluste habe es am Montag in Sektoren gegeben, in denen diese Kreditvolumen noch besonders hoch seien, bemerkten Analysten.

"Es war schon sehr ungewöhnlich, dass selbst Schwergewichte aus dem Ölsektor gestern 'limit down' waren", sagte Analyst Deng Wenyuan von Soochow Securities. Amy Lin von Capital Securities rechnet angesichts der Krise damit, dass viele Anleger nur sehr kurzfristig am Aktienmarkt agieren, was die Lage insgesamt fragil mache.

Die Wertpapieraufsicht kündigte derweil an, den Absturz vom Montag genauer zu untersuchen. "Fürs erste versucht die Zentralregierung das Vertrauen der Marktteilnehmer zurückzugewinnen, von dem der Markt lebt", meinte Castor Pang, Research-Chef bei Core Pacific-Yamaichi International. Sollte dies gelingen, dürften die Probleme wieder in den Griff zu bekommen sein.

Die dramatische Börsenentwicklung in China ließ auch an den Nachbarbörsen der Region keine Kaufstimmung aufkommen. Allerdings ging es dort auch nicht stärker nach unten. In Tokio schloss der Nikkei-Index fast unverändert mit 20.354 Punkten. Zunächst hatte er deutlicher im Minus gelegen, profitierte aber dann davon, dass zum Handelsende in Tokio der Markt in Schanghai einen Erholungsansatz zeigte. In Seoul schaffte der Kospi ein minimales Plus. Hier gab es etwas Unterstützung von der offiziellen Mitteilung, dass die MERS-Epidemie, die Sorgen vor negativen Auswirkungen auf die Konjunktur des Landes hervorgerufen hatte, beendet ist.

An den Märkten weltweit geht die Sorge um, dass die Kursverluste am Aktienmarkt früher oder später negative Folgen zunächst für die chinesische Realwirtschaft haben werden und dann auch für die globale Konjunktur. Seit seinem Hoch im Juni hat der Aktienmarkt in Schanghai etwa 30 Prozent an Wert eingebüßt.

"Zweite Gelegenheit"

 Die Analysten von Nomura raten nach dem neuerlichen Rücksetzer aber zumindest an der Hongkonger Börse nun zum Einstieg. "Wer den ersten Boden verpasst hat, hat nun eine zweite Gelegenheit", heißt es in einer Studie der Bank. Sie sieht den HSI zum Ende des Jahres höher als im bisherigen Jahreshoch im April. Bis dahin sind es vom aktuellen Stand aus gut 15 Prozent.

Für die Verluste am Montag hatten unter anderem Spekulationen gesorgt, dass die staatlich gelenkte China Securities Finance, ihre Stützungskäufe reduzieren oder einstellen könnte. Dem war am Montagabend (MESZ) ein Sprecher der Wertpapieraufsicht entgegengetreten. Zhang Xiaojun sagte, die China Securities Finance habe den Markt nicht verlassen. Das Unternehmen werde seine Aktienbestände sogar noch aufstocken und seine Rolle als Marktstabilisierer erfüllen. Zudem kündigte er an, dass der Kampf gegen "böswillige" Aktienverkäufe, die dem Markt schwer schadeten, fortgeführt werde. Außerdem sollen die laufenden Untersuchungen kreditfinanzierter Aktiengeschäfte ausgeweitet werden auf weitere Plattformen, die diese Geschäfte anbieten.

Einige Akteure hatten angesichts dieser Aussagen damit gerechnet, dass der Markt am Dienstag im Plus schließen werde. Dass dem nicht so war, dürfte für weitere Verunsicherung über die Effizienz der politischen Stützungsmaßnahmen sorgen.

Zu den Gewinnern in China gehörten einige am Vortag noch schwer gebeutelte Aktien aus dem Finanzsektor. Haitong Securities und China Merchants Securities erholten sich jeweils um 7 Prozent. Sie waren am Vortag um die maximal für einen Handelstag zulässigen 10 Prozent abgestürzt. Bank of Communications und Bank of China machten 1,9 bzw. 0,9 Prozent gut.

In Taiwan schloss das Marktbarometer um 0,3 Prozent von seinem Neunmonatstief erholt, gestützt vor allem von Kursgewinnen bei einigen Apple-Zulieferern. Largan Precision gewannen 4,4, Inotera Memories 9 und AU Optronics 4,6 Prozent.

Unter den Einzelwerten in Tokio legten Canon um 0,2 Prozent zu. Der Kamera-Hersteller hatte einen Gewinnrückgang und einen im Rahmen der Erwartungen liegenden Umsatz gemeldet und gleichzeitig seine Umsatzprojektion angehoben. Für NTT Docomo ging es am Tag vor dem Ausweis des Quartalsergebnisses um 2 Prozent voran.

Erneut widerstandsfähig zeigte sich die Börse in Sydney, obwohl die rohstofflastige australische Wirtschaft stark von der Konjunkturentwicklung in China abhängt. Origin Energy gewannen 2,7 Prozent, gestützt von der Nachricht, dass das Gemeinschaftsunternehmen Australia Pacific LNG mit ConocoPhillips und Sinopec auf bestem Weg sein soll, wie geplant im zweiten Halbjahr Erdgas zu exportieren.

Quelle: ntv.de, bad/DJ

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen