Wirtschaft

Mögliche Gegensanktionen So könnte Putin dem Westen schaden

Die ultimative "Waffe" hält Putin mit dem Zugriff auf die Gaslieferung in der Hand.

Die ultimative "Waffe" hält Putin mit dem Zugriff auf die Gaslieferung in der Hand.

(Foto: dpa)

Europa und die USA verschärfen die Sanktionen gegen Russland. Wie wird der Kreml antworten? Im Raum stehen mehrere Optionen - etwa Überflugverbote oder Beschränkungen für die Autobranche. Wirklich schmerzen dürfte am Ende nur eine Maßnahme.

Die Sanktionsspirale dreht sich immer schneller. Nachdem die EU vorgelegt hat, soll im Kreml ein zweites Paket mit Strafmaßnahmen gegen westliche Konzerne fertig in Putins Schublade liegen. Es könnte bald verkündet werden - und die Unsicherheit in wichtigen Branchen der deutschen Wirtschaft verstärken.

Autobranche

Der Kreml droht damit, den Import westlicher Pkw nach Russland einzuschränken. Der russische Markt ist aber schon länger in der Krise. 2013 exportierten deutsche Hersteller 132.000 Fahrzeuge nach Russland - im Jahr davor waren es noch knapp 157.000. Bei Volkswagen liegt der Konzernabsatz in Russland nach zwei Dritteln des Jahres 12 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Unabhängig von den Sanktionen sagt ein VW-Insider: "Der Markt fliegt uns ganz schön um die Ohren."

n-tv.de-Autoexperte Helmut Becker schätzt die Auswirkungen eines russischen Importverbots für die deutsche Autoindustrie jedoch als gering ein: "Zwar trifft es die Hersteller, aber es wird sie nicht nachhaltig belasten." Angesichts der deutschen Gesamtexporte - 2013 waren es rund vier Millionen Fahrzeuge - mache der russische Markt nur einen kleinen Anteil aus. "Außerdem sind die Massenhersteller wie VW, Opel und BMW ohnehin mit Werken in Russland vertreten", sagte Becker. Der Präsident des Branchenverbands VDA, Matthias Wissmann, aber rät zum Blick über den Tellerrand: Das Thema drücke auf die Psychologie der internationalen Märkte.

Luftverkehr

Macht Moskau ernst und den Luftraum für westliche Airlines über Sibirien dicht, wäre das ein harter Schlag. Genau das hat Russlands Regierungschef Dmitri Medwedew im Sinn: "Wenn westliche Gesellschaften unseren Luftraum meiden müssen, kann das zum Bankrott vieler Fluggesellschaften führen, die schon jetzt ums Überleben kämpfen." Beispielsweise müssten die großen europäischen Airlines Air France-KLM, British Airways oder Lufthansa, die über Sibirien nach Asien fliegen, auf längere Routen ausweichen.

Das kostet Treibstoff, Besatzungen müssen länger arbeiten. Experten gehen von etwa 10.000 Euro Mehrkosten pro Flug aus. Dies dürfte nicht ohne Folgen auf die Ticketpreise bleiben, von längeren Flugzeiten für die Kunden ganz zu schweigen. Aber: Bisher päppelte Moskau mit den Einnahmen von über 200 Millionen Euro pro Jahr aus den Überflugrechten die Staatsairline Aeroflot auf. Lachender Dritter wären wohl die Chinesen. Sie könnten dank des Sibirien-Kostenvorteils die Europäer im lukrativen Asiengeschäft noch mehr ärgern.

Lebensmittel und Textilien

Bei Lebensmitteln machte Putin bereits ernst und verhängte Anfang August einen Importstopp, weil ihm erste EU-Sanktionen nicht schmeckten. Die 28 EU-Staaten, die USA, Australien, Kanada und Norwegen dürfen für ein Jahr Fleisch, Fisch, Milch, Obst und Gemüse nicht mehr einführen. Einzelne Agrarländer wie Griechenland trifft das hart. Für die deutsche Agrarbranche sind die Folgen überschaubar, sagt Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU). Um Verwerfungen im EU-Markt wegen des Überangebots zu verhindern, rief Schmidt die Verbraucher auf, mehr heimisches Obst und Gemüse zu essen: "One apple a day keeps Putin away" (Ein Apfel am Tag hält Putin fern). Nun kündigt Moskau an, auch Produkte der Textilindustrie auf den Index zu setzen. Details sind aber unklar.

Energiesektor

Hier hält Putin die ultimative "Waffe" in der Hand. Dreht er den Gashahn zu, hätte Europa ein Problem. Grund zur Panik besteht aber nicht. Die Gasspeicher sind randvoll (Deutschland: 91,5 Prozent, EU-weit: 90). Die Vorräte dürften zumindest in Deutschland, das seinen Gasbedarf zu mehr als ein Drittel aus Russland deckt, bis zum Frühjahr reichen. Das Baltikum und Finnland sind aber zu 100 Prozent von russischen Gasimporten abhängig. Viele südosteuropäische Länder hängen auch am Gazprom-Tropf.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass Putin liefertreu bleibt, nicht auf die Export-Milliarden verzichten kann. Die knallharte Entscheidung der EU, die russischen Energieriesen Gazprom Neft, Rosneft, Transneft sowie Rüstungsfirmen jetzt vom europäischen Kapitalmarkt abzuschneiden, dürfte Putin aber mächtig reizen.

Quelle: ntv.de, kst/dpa

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