Wirtschaft

Sanktionen treffen den Kreml Russlands Wirtschaft steckt in der Krise

Die Moskauer Börse verzeichnet kräftige Kursverluste.

Die Moskauer Börse verzeichnet kräftige Kursverluste.

(Foto: REUTERS)

Präsident Putin gibt sich zwar unbeeindruckt, doch Sanktionen des Westens könnten der russischen Wirtschaft schweren Schaden zufügen. Volkswirte gehen davon aus, dass Russland in die Rezession rutschen wird.

Die russische Wirtschaft steckt nach Einschätzung der Regierung in Moskau in ernsthaften Schwierigkeiten. "Die wirtschaftliche Situation zeigt Anzeichen einer Krise", sagte Vize-Wirtschaftsminister Sergej Beljakow. Damit räumte die Regierung erstmals ein, dass die Volkswirtschaft anfällig für Sanktionen ist. Fachleute gehen davon aus, dass Russland im Zuge der politischen Spannungen in eine Rezession abgleiten dürfte.

Nach dem umstrittenen Krim-Referendum verhängten EU und USA weitere Sanktionen gegen Russland. Dabei geht es etwa um Einreiseverbote und das Einfrieren von Konten einzelner Personen. Umfassende Wirtschaftssanktionen könnten bereits am Donnerstag bei einem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel auf der Tagesordnung stehen. Die EU hat sie für den Fall einer weiteren Destabilisierung der Ukraine durch Russland angedroht.

Die russische Wirtschaft bereite sich auf "die härtesten Sanktionen" vor, so die Wirtschaftszeitung "Wedomosti". Es werde bereits mit einem Szenario wie im Iran gerechnet. Die Strafmaßnahmen könnten wie die Sanktionen gegen das iranische Atomprogramm wirken, die zu schweren Wirtschaftsproblemen und Inflation führten.

Volkswirte hatten davor gewarnt, dass Russland einen hohen Preis zahlen dürfte, sollte es sich die Krim einverleiben. Die Aktienkurse und der Rubel gaben zuletzt bereits kräftig nach. Viele Banken haben ihre Konjunkturprognosen für Russland spürbar gesenkt.

Die Bewohner der ukrainischen Halbinsel hatten am Sonntag unter dem massiven Einfluss des Kremls mit großer Mehrheit für einen Anschluss an Russland gestimmt, die Krim beantragte inzwischen formell die Aufnahme in die Russische Föderation. Russlands Präsident Wladimir Putin will sich am Dienstag vor dem Parlament zu dem Thema äußern. Die Regierung in Kiew und der Westen bezeichnen das Referendum für illegal und werfen Moskau vor, die Spaltung der Ukraine voranzutreiben.

Abhängig von Rohstoffexporten

Die russische Konjunktur hatte sich zuletzt spürbar abgeschwächt. Die Zentralbank in Moskau rechnet dieses Jahr mit einem Wachstum von 1,5 bis 1,8 Prozent. Das Wirtschaftsministerium geht von rund zwei Prozent aus. Doch viele Ökonomen halten das für zu optimistisch. Für sie ist absehbar, dass die Wirtschaft wegen Putins Polit-Poker in die Rezession rutscht. Denn wirtschaftlich stand Russland schon vor der Krise keineswegs blendend da. Gerade einmal um 1,3 Prozent war die Wirtschaft im vergangenen Jahr gewachsen. Von Traumraten wie nach der Jahrtausendwende von im Schnitt 7 Prozent im Jahr ist das noch immer stark von Energieexporten abhängige Land weit entfernt.

Russland benötigt westliches Kapital, um die auf Rohstoffausfuhren ausgerichtete Wirtschaft zu differenzieren und global wettbewerbsfähig zu machen. "Russland braucht Investitionen aus dem Ausland und muss sicherstellen, dass russisches Geld im Land bleibt", sagt Chris Weafer von der Beratungsgesellschaft Macro-Advisory.

Sollte westliches Geld allerdings künftig einen Bogen um Russland machen, könnte das für russische Unternehmen fatal werden. "Russische Unternehmen gehören zu den aktivsten auf den internationalen Anleihemärkten", warnt Francesc Balcells vom Vermögensverwalter Pimco. Russland habe viel unternommen, um seinen Anleihenmarkt zu öffnen: "Jede Konfrontation mit dem Westen würde diese Erfolge zerstören." Denn politische und wirtschaftliche Auseinandersetzungen sind Gift für das Investorenvertrauen. "Wenn die Krise anhält und Russland ein Staat wird, in dem man nicht investieren kann - ein Pariah-Staat - wird das Geld schlicht nicht kommen", warnt Weafer.

Wie Ex-Finanzminister Alexej Kudrin in der vergangenen Woche sagte, könnten harte Sanktionen die Kapitalflucht aus Russland aber verstärken. "Schon jetzt kann ich versichern, dass die Kredithähne für Russland gerade zugedreht werden", erklärte Kudrin. Für die Zukunft sei damit zu rechnen, dass bestimmte Kredite nicht mehr an Russland vergeben würden und dass Gemeinschaftsunternehmen mit ausländischen Partnern gestoppt würden. "Das hat bereits begonnen", sagte Kudrin weiter.

Rezession droht

"Ein BIP-Wachstum nahe null scheint jetzt realistisch", sagt Natalia Orlowa, Ökonomin bei der russischen Alfa Bank: "Und das wäre noch das Best-Case-Szenario." Denn die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Stützung des Rubel, vor allem die Zinserhöhung der Notenbank von 5,5 auf sieben Prozent, werden die Geldbeschaffung russischer Unternehmen weiter verteuern.

"Das Risiko einer Rezession bestand schon vor der Zinsanhebung, jetzt ist es weiter gewachsen", sagt Wladimir Kolytschew, Chef-Volkswirt bei VTB Capital. Orlowa warnt, manche zögen bereits Parallelen zum Finanzcrash von 2008. Damals trieb der kurze Krieg mit Georgien die Investoren aus dem Land - der Rubel büßte 30 Prozent seines Wertes ein.

"Die Ereignisse legen nahe, dass der Netto-Kapitalabfluss sehr stark bleiben wird - und ich sehe auch keine Anzeichen dafür, dass sich das ändern wird", sagt Orlowa. Vergangenes Jahr waren 60 Milliarden Dollar mehr aus als in das Land geflossen, im Januar waren es bereits 17 Milliarden Dollar.

Andere Experten wie Neal Shearing von Capital Economics in London warnen aber vor zu dramatischen Szenarien. Mit Währungsreserven von fast 500 Milliarden Dollar könne sich Russland kurzfristig gegen einen Rubel-Verfall stemmen und die Folgen klein halten. Aber auch er warnt, langfristig würden Auslandsinvestitionen gebraucht: "Die Krise schadet dem russischen Ansehen weltweit."

Eine Rezession sei kaum noch vermeidbar, betonten allerdings die Analysten von VTB Capital. Die russische Wirtschaft stehe wegen der allgemeinen Unsicherheit "unter Schock". Bei vielen Unternehmen gebe es einen Investitions- und Einstellungsstopp, und auch die privaten Haushalte hielten sich bei ihren Ausgaben zurück.

Quelle: ntv.de, jga/rts/AFP

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