Wirtschaft

Anleihenkäufe verlängert EZB packt eine halbe Billion drauf

Die Europäische Zentralbank verlängert den milliardenschweren Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren. Analysten wollen aber auch Anzeichen für dessen Ende erkennen. Die Konjunkturaussicht der EZB verändert sich kaum.

Die Hoffnung auf ein allmähliches Ende der umstrittenen Geldflut der Europäischen Zentralbank (EZB) wächst. Zwar verlängerten die Währungshüter wenige Tage nach dem Italien-Votum ihr milliardenschweres Kaufprogramm für Staatsanleihen und andere Wertpapiere um neun Monate bis mindestens Ende Dezember 2017.

Zugleich beschloss der EZB-Rat in Frankfurt jedoch, von April an monatlich nur noch 60 Milliarden Euro statt 80 Milliarden Euro in den Markt zu pumpen - insgesamt kommen so weitere Geldspritzen von 540 Milliarden Euro hinzu. An den Börsen sorgte die EZB damit für eine Überraschung. Denn dort wurde nur mit einer Ausdehnung um sechs Monate bei allerdings gleichbleibendem Monatsvolumen gerechnet.

Der EZB-Beschluss fiel nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ohne Zustimmung von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Die Zeitung berichtete ohne Angaben von Quellen, Weidmann habe Einwände geäußert und nicht dafür gestimmt. Die Bundesbank wollte zu dem Bericht keine Stellung nehmen. In Notenbank-Kreisen hieß es, Weidmanns Bedenken zu Staatsanleihekäufen seien bekannt.

Fast zwei Jahre nach dem Start des gewaltigen Kaufprogramms im März 2015 werteten einige Volkswirte die EZB-Entscheidung als erstes Signal, dass die Notenbank allmählich zur Normalität zurückkehrt. "Damit befindet sich der geldpolitische Ausstieg jetzt für alle auf dem Radarschirm", kommentierte zum Beispiel Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zufolge zeigen die Beschlüsse jedoch noch nicht das Ende der großen Geldflut an. "Das ist kein Einstieg in den Ausstieg. Die lockere Geldpolitik wird nicht einfach beendet, denn die Staatsschuldenkrise ist noch nicht gelöst", so der Experte.

Kaufprogramm umfasst 2,28 Billionen Euro

EZB-Präsident Mario Draghi betonte jedoch, das Führungsgremium der Notenbank habe nicht über einen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik gesprochen. Die EZB werde für eine lange Zeit an den Märkten präsent sein, sagte der Italiener: "Anhaltende Präsenz ist unsere heutige Botschaft." Deshalb sei auch nicht über ein Tapering - einen allmählichen Ausstieg aus den Wertpapier-Käufen - diskutiert worden. Die Wirtschaft der Euro-Zone sei noch nicht über den Berg. erbraucher sollten also auf absehbare Zeit nicht mit steigenden Sparzinsen rechnen.

Die Anleihenkäufe helfen nach Ansicht vieler Volkswirte vor allem hoch verschuldeten Staaten wie Italien, ihre Zinslast erträglich zu halten. Dass Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi nach seiner Niederlage bei der Abstimmung über die geplante Verfassungsreform zurücktrat, hat für neue Unsicherheit gesorgt. Nach dem Referendum vom Sonntag waren die Risikoaufschläge auf italienische Staatsanleihen zeitweise gestiegen. Die Aktien italienischer Banken, die auf einem Riesenberg fauler Kredite sitzen, gerieten unter Druck.

Draghi sprach von gestiegenen politischen Unsicherheiten in der Euro-Zone. "Man muss sich nur den Wahlkalender im nächsten Jahr anschauen." In Deutschland, Frankreich und in den Niederlanden stehen 2017 Wahlen an. Und in Italien wird die Regierung nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum umgebildet. Sollten in den großen Volkswirtschaften des Währungsraums populistische Parteien an Boden gewinnen, könnte dies die Reformbereitschaft der Länder bremsen - mit negativen Folgen für die Konjunktur. Draghi erneuerte deshalb seinen Appell, bei notwendigen Reformen nicht nachzulassen.

Das Volumen des EZB-Kaufprogramms schwillt nun auf 2,28 Billionen Euro an. Das viele billige Geld soll im Idealfall die Konjunktur ankurbeln und die Teuerung anheizen. Um auch weiterhin ausreichend Papiere zum Kauf zu haben, will die EZB notfalls auch Anleihen mit kürzerer Laufzeit und unterhalb des Einlagensatzes von derzeit minus 0,4 Prozent kaufen.

"Damit wird nicht nur die Bilanz der EZB weiter kräftig steigen, sondern es werden auch die Stabilitätsgefahren durch verzerrte Risikopreise und fehlgeleitetes Kapital zunehmen", warnte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB, Michael Kemmer. Draghi bekräftigte, die EZB werde notfalls auch über das Jahresende 2017 hinaus Anleihen kaufen, sollte die Inflation nicht wie angestrebt anziehen. Dauer und Umfang des Kaufprogramms könnten jederzeit ausgeweitet werden.

Konjunkturaussicht kaum verbessert

Die mittelfristigen Aussichten für die Konjunktur im Euroraum beurteilt die EZB nur minimal besser als noch im September. Für 2016 erwarten die Währungshüter unverändert ein Plus von 1,7 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP), ebenso für 2017 (September-Prognose: 1,6 Prozent), 2018 und 2019 wird die Wirtschaft im Euroraum demnach um 1,6 Prozent zulegen.

Die Inflation sieht die EZB im laufenden Jahr weiterhin bei 0,2 Prozent. Für 2017 sagen die Währungshüter einen Anstieg der Verbraucherpreise um 1,3 (1,2) Prozent voraus, 2018 rechnet die EZB mit 1,5 (1,6) Prozent Teuerung und 2019 mit 1,7 Prozent. Mittelfristig strebt die Notenbank eine jährliche Inflationsrate von knapp unter 2,0 Prozent an - weit genug entfernt von der Nullmarke.

Dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben, in der Hoffnung, dass es bald noch billiger wird. Im November war die Teuerungsrate auf 0,6 Prozent gestiegen. Den Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Zentralbankgeld besorgen können, beließ die EZB auf dem Rekordtief von null Prozent. Parken Banken überschüssiges Geld bei der EZB, müssen sie dafür weiterhin 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen.

Quelle: ntv.de, mli/fma/dpa/rts

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