Wirtschaft

Anleihenkaufprogramm vor Ausweitung EZB macht Geldpolitik für die ganze Welt

EZB-Chef Mario Draghi

EZB-Chef Mario Draghi

(Foto: REUTERS)

Ob EZB, Fed oder die chinesische oder japanische Notenbank – alle wollen über eine expansive Geldpolitik die Wirtschaft stimulieren. Am weitesten wagt sich die EZB vor, und deren geldpolitische Medizin könnte schwere Nebenwirkungen erzeugen.

EZB-Chef Mario Draghi ist bereits sehr offensiv bei der Auslegung der Geldpolitik. Das Anleihenkaufprogramm wurde auf 80 Milliarden Euro pro Monat aufgestockt, aber der Umfang ist nicht das Entscheidende. Die EZB wird ab Juni neben Staatsanleihen auch verstärkt Unternehmensanleihen kaufen. Erlaubt sind Investment Grade-Anleihen von Unternehmen mit guter Bonität außerhalb des Bankensektors. Die Anleihen müssen eine Restlaufzeit von sechs Monaten bis zu 30 Jahren haben. Die Anleiheemittenten, also die Schuldner, müssen aus dem Euro-Raum stammen. Genau an diesem Punkt könnte es problematisch werden.

Denn es dürfen auch Anleihen von Unternehmen gekauft werden, die außerhalb der Eurozone angesiedelt sind und im Währungsraum eine Tochter haben. So gelangen Anleihen von Unternehmen außerhalb Europas in das Kaufprogramm der EZB, die dadurch quasi eine Geldpolitik für die ganze Welt betreibt. Zahlreiche nicht-europäische Unternehmen dürften künftig Tochterunternehmen gründen, um in den Genuss des EZB-Anleihekaufprogramms zu kommen. Die Analysten der Deutschen Bank haben das neue Anleiheuniversum der EZB mal ausgerechnet. Demnach kann die EZB Papiere im Börsenwert von circa 865 Mrd. Euro kaufen.

Wie wirkungsvoll wird das neue Quantitative Easing (QE) der EZB sein, und kann es die Kreditvergabe und damit die Konjunktur ankurbeln? Klaus Bauknecht, Chef-Volkswirt der IKB Deutsche Industriebank, ist skeptisch und sieht nur begrenzte Möglichkeiten der Währungshüter auf die Wirtschaft: "Die Stimulierung der Kreditvergabe durch die Notenbanken erweist sich in unsicheren Zeiten wie diesen als schwierig. Im Falle einer eskalierenden Inflation hat die Geldpolitik eine deutlich größere Einflussmöglichkeit." Auch mit derzeit nur geringen Auswirkungen auf die Realwirtschaft hat das EZB-Programm starke Auswirkungen auf die Anleihenlandschaft.

Durch die Käufe wird eine künstliche Nachfrage nach Anleihen erzeugt. Daher könnten die Preise dieser Anleihen auch in einem schwachen Umfeld nach oben tendieren und die Zinsen weiter sinken. Außerdem werden Unternehmen verleitet, ihre Schulden zu erhöhen und Anleihen zu begeben, wenn sie wissen, dass die EZB ihnen die Papiere abnehmen wird. Ein Ende dieser sehr expansiven Geldpolitik ist noch nicht abzusehen, weil die EZB auch nach der jüngsten Ausweitung ihr Pulver noch nicht verschossen hat.

Auch den Banken kann geholfen werden

Eine künftige Ausweitung des Programms könnte auch demnächst Bank-Anleihen umfassen. So könnte ebenfalls den Banken geholfen werden, die unter der Nullzinspolitik leiden. So dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die EZB anfängt, neben Anleihen von Unternehmen auch solche von Banken zu kaufen. Gleichzeitig kann die EZB damit die notleidenden Kredite aus den Banken herausholen. Laut den Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) belaufen sich die faulen Kredite der europäischen Banken auf rund eine Billion Euro.

Je stärker das Anleihenkaufprogramm ausgeweitet und je länger es andauert, umso schwieriger dürfte es der EZB fallen, die Kaufprogramme zurückzufahren, ohne für Turbulenzen an den Märkten zu sorgen. Einen bitteren Beigeschmack hat die Medizin der Notenbanken bereits gezeigt, nachdem die US-Notenbank Fed im Dezember 2015 zum ersten Mal seit 2006 die Zinsen erhöht hatte. Im Anschluss fielen die Aktienmärkte kräftig.

Quelle: ntv.de

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