Wirtschaft

Volkswagen öffentlich abgestraft China rächt sich zur Primetime

China weiß um seine Bedeutung als Markt.

China weiß um seine Bedeutung als Markt.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Volkswagen wird im chinesischen Fernsehen für ein technisches Problem groß an den Pranger gestellt. Vorgeschoben geht es dabei um Konsumentenschutz. In Wahrheit aber zeigt die Regierung ausländischen Unternehmen sehr deutlich, wer der Herr im Haus ist.

Jetzt also auch Volkswagen. Jahrzehntelang haben sich die Wolfsburger als verlässlicher Partner der chinesischen Regierung erwiesen. Sie haben Milliarden Euro investiert, Zehntausende Arbeitsplätze geschaffen im Reich der Mitte, dabei bessere Gehälter bezahlt als nahezu jede chinesische Firma und sogar große Teile ihrer Zukunftsstrategie auf die Volksrepublik ausgerichtet – und als Dankeschön gibt es vor einem Millionenpublikum einen Tritt in den Allerwertesten. Das chinesische Staatsfernsehen CCTV stellte den Autohersteller am vergangenen Freitagabend wegen des Verkaufs minderwertiger Getriebeboxen an chinesische Kunden öffentlichkeitswirksam an den Pranger. In seiner Entertainmentshow 3.15, die so heißt, weil sie am 15. März, dem Weltkonsumententag, ausgestrahlt wird, werden zur besten Sendezeit ausländische Unternehmen abgestraft. Eiskalt servierte Rache kann man das auch nennen, denn Volkswagen muss büßen für die Empfindlichkeit der chinesischen Seele. Investitionen hin, Arbeitsplätze her.

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Man muss wissen, dass CCTV kein unabhängiger Fernsehsender ist, sondern ein staatlich gelenktes Propagandawerkzeug. Chinas Regierung nutzt ihre Medien, um scharf zu schießen im Krieg um die globale Meinungshoheit. Peking weiß um die wachsende wirtschaftliche Bedeutung des eigenen Landes für die internationale Industrie: kaum ein DAX-Konzern, der seine langfristigen Wachstumskonzepte nicht an die Konsumfreude von 1,3 Milliarden Chinesen knüpft. Bei Volkswagen wurde im vergangenen Jahr fast schon jedes dritte Auto in der Volksrepublik abgesetzt. 2,81 Millionen waren es, ein Glücksfall angesichts der siechenden US- und Europageschäfte. Bis 2018 will der Konzern seine Produktionskapazität auf 4 Millionen Einheiten vergrößern. Sieben neue Werke werden bis dahin fertig gestellt.

Doch nicht nur deutsche Firmen gieren nach den Massen im Fernen Osten, auch internationale Großkonzerne wie Apple, McDonald's oder Carrefour setzen auf China. Sie alle teilen mit Volkswagen die Erfahrung, von CCTV einen kräftigen Hieb kassiert zu haben. Im Falle von Volkswagen wird die politische Komponente der Sendung besonders deutlich. Bereits im März 2012 musste der Konzern Probleme mit dem Doppelkupplungsgetriebe DSG an Fahrzeugen eingestehen, die in China verkauft wurden. Die Getriebeboxen vibrieren in einem bestimmten Geschwindigkeitsbereich. Am Samstag entschied sich der Hersteller in Folge der CCTV-Sendung für einen Rückruf, den die Qualitätsaufsichtsbehörde AQSIQ empfohlen hatte. Man nehme die Vorwürfe sehr ernst, heißt es aus dem Unternehmen und werde in vollem Umfang mit den Behörden kooperieren. Das Absurde daran ist, dass AQSIQ erst im Januar die Handhabe des Problems durch den Konzern explizit lobte, nicht öffentlich zwar, aber im direkten Austausch mit Volkswagen. Jetzt gerieten die Kontrolleure an die Grenzen ihrer Autonomie, als sie Volkswagen den Rückruf empfehlen mussten.

Shitstorm wegen Taiwan

Volkswagen hatte mehreren Hunderttausend betroffenen Kunden das Angebot gemacht, das Problem im Bedarfsfall kostenfrei zu beheben. Zudem verlängerte VW die Garantiezeit der Fahrzeuge auf zehn Jahre oder 160.000 Kilometer, ein außergewöhnlich langer Garantiezeitraum. 90 Prozent aller betroffenen Autos seien seitdem überholt worden, heißt es. Monatelang krähte kein Hahn mehr nach DSG, bis ausgerechnet auch in Taiwan ein Problem mit den Getriebeboxen auftrat. Volkswagen entschied sich auch in Taiwan zunächst zu einer Serviceaktion. Allerdings war die Reaktion der Kunden dem Vernehmen nach äußert gering. Also zog Volkswagen die Konsequenz und rief mehrere Tausend Fahrzeuge zurück. Die Nachricht machte über soziale Medien schnell die Runde in der Volksrepublik und war Anlass für Nationalisten, Volkswagen übel zu beschimpfen. Die Essenz der Vorwürfe: Das Wohl seiner taiwanischer Kunden läge dem Konzern mehr am Herzen, Chinesen würden als Kunden zweiter Klasse behandelt, weil man ihnen es selbst überlässt, ob sie eine Reparatur wollen oder nicht. Peking sieht Taiwan als abtrünnige Provinz an und droht im Falle einer Unabhängigskeitserklärung der Insel mit Waffengewalt.

Auch Apple musste sich am Freitag von CCTV anhören, dass in anderen Ländern offenbar andere Standards gelten als in der Volksrepublik. Welche Konsequenzen die Vorwürfe für die Unternehmen haben, ist nicht absehbar. Allerdings sticht der nationalistische Trumpf in der Regel ausgezeichnet. Peking ist in der Lage, Teile seiner Bevölkerung dermaßen aufzupeitschen, dass manche Chinesen beinahe ihre eigenen Landsleute totschlugen, als der Territorialstreit mit Japan um eine Inselgruppe im ostchinesischen Meer eskalierte, nur weil die ein japanisches Auto fahren.

Der Aktienkurs der Fastfoodkette McDonald's verlor vor Jahresfrist in der Folge eines 3.15-Reports an Wert. Der Imageschaden war groß, nachdem in einer Filiale tiefgefrorenes Hackfleisch über das Verfallsdatum hinaus verwendet und Hygienestandards gebrochen wurden. Im Vergleich zu kriminellen Machenschaften, bei denen verseuchtes Fleisch oder Milchpulver in Umlauf gebracht wurden, sind das harmlose Vergehen. Doch angesichts der großen Sorge der Bevölkerung um die Sicherheit von Lebensmitteln entladen schon Kleinigkeiten einen Wutschwall im Internet. McDonald's fürchtete wohl, auch in diesem Jahr Ziel des CCTV-Angriffs zu werden, und ging in die PR-Offensive. An Montag verteilte die Restaurantkette eine Million Frühstücksbagel im ganzen Land. Am Pranger standen die US-Amerikaner in diesem Jahr allerdings noch nicht.

Quelle: ntv.de

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