Politik

Politikerversagen in schwerer Krise Griechenlands Tanz auf dem Vulkan

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Bald werden die Griechen wohl wieder abstimmen müssen.

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Bald werden die Griechen wohl wieder abstimmen müssen.

(Foto: picture alliance / dpa)

In Hellas läuft derzeit wieder alles aus dem Ruder. Die Haushaltslage bleibt katastrophal, die Wirtschaft geht den Bach runter. Nach der Parlamentswahl herrscht dazu politisches Chaos. Eine Koalitionsbildung ist in weiter Ferne. Obwohl wichtige Beschlüsse gefasst werden müssten, bestimmen politische Amokläufer das Geschehen. Eine weiterer Urnengang ist sehr wahrscheinlich.

Es fällt zunehmend schwerer, die Lage Griechenlands mit immer schärferen Begriffen zu beschreiben. Die Wörter Tragödie, Abgrund, Pleite und Zusammenbruch beherrschen bereits seit Monaten die Schlagzeilen und sind mittlerweile verbraucht. Nun gesellt sich das Wort Chaos hinzu. Schuld daran sind die Parteien in Athen, die größtenteils von politischen Amokläufern geführt werden.

Gehören nicht zusammen: Antonis Samaras (links) und Alexis Tsipras.

Gehören nicht zusammen: Antonis Samaras (links) und Alexis Tsipras.

(Foto: dpa)

Die Griechen haben sich zweifellos eine . Die politische Klasse des Krisenlandes ist nicht in der Lage, mit dem Ergebnis der jüngsten Volksabstimmung verantwortungsbewusst umzugehen. Taktische Spielchen beherrschen die Sondierungsverhandlungen. Und es sind nicht nur inhaltliche Meinungsverschiedenheiten, die sie nicht zusammenkommen lassen. In aller Öffentlichkeit tragen die Akteure auch persönliche Animositäten aus. Überall dominieren die Versager, so sind Koalitionsbildungen nicht möglich. . Erneut werden Millionen für die Organisation des Urnengangs ausgegeben. Und vielleicht folgen weitere Wahlen - bis das Ergebnis passt.

Der und der haben sich erfolglos versucht. Nun ist der Sozialist Evangelos Venizelos dran. In der Boxersprache heißt das: Ring frei zur dritten Runde. Zwar geht es bei den Verantwortlichen mit der Gewichtsklasse immer höher. Die Wahrscheinlichkeit einer Lösungsfindung wird allerdings immer geringer.

Samaras - hier mit Dimar-Chef Fotis Kouvelis - kämpft nicht lange um eine Koalition.

Samaras - hier mit Dimar-Chef Fotis Kouvelis - kämpft nicht lange um eine Koalition.

(Foto: dpa)

Samaras, dessen Nea Dimokratia (ND) mit gerade einmal 18,9 Prozent stärkste Kraft wurde, machte sich nicht einmal die Mühe, ernsthaft zu verhandeln. Der 60-Jährige, der Ende des vergangenen Jahres durch internationalen Druck regelrecht in die Notkoalition mit Venizelos' Pasok gezwungen wurde, hatte bereits vor den Gesprächen durch die Blume signalisiert, dass er Neuwahlen favorisiere. So verhielt er sich auch. Nach nur wenigen Stunden gab er den Auftrag zur Koalitionsbildung wieder ab. Ein mögliches Zusammengehen mit der Pasok sowie der Demokratischen Linken und den Unabhängigen Griechen (Anel), die erst kürzlich von ND-Abtrünningen gegründet wurde, lotete er nicht mit aller Entschiedenheit aus. Allerdings ist Samaras nicht der Alleinschuldige, denn Anel-Chef Panagiotis Kammenos, der wegen der Unterstützung der ND für die Sparmaßnahmen die Konservativen verließ, sagte ebenfalls deutlich, dass er kein Interesse an einer Koalition unter Leitung von Samaras habe.

Dass Tsipras - seine Syriza wurde knapp hinter der ND zweitstärkste Kraft - keine Koalition zusammenbekam, ist alles andere als überraschend. Anders als bei Samaras, verliefen seine Verhandlungen unter lautem Getöse. Ausdruck dessen ist sein Anti-Sparbrief an die Verantwortlichen von EU, EZB und den europäischen Partnern, der von diesen brüsk zurückgewiesen wurde. Die sehr wahrscheinlichen Neuwahlen im Auge, vergoss der 37-Jährige medienwirksam dicke Krokodilstränen. "Wir können unseren Traum für eine linke Regierung nicht wahr machen", so Tsipras.

Evangelos Venizelos will mit seiner abgewirtschafteten Pasok an die Regierung.

Evangelos Venizelos will mit seiner abgewirtschafteten Pasok an die Regierung.

(Foto: dpa)

Mit dieser Äußerung demaskierte er sich allerdings selbst. Erstens war von vornherein klar, dass er mit seinen Plänen, das Sparen einzustellen und den griechischen Schuldendienst einseitig aufzukündigen, gegen eine Mauer laufen musste. Zweitens: Wie will er eine Regierung nach seinen Vorstellungen bilden? Die Demokratische Linke (Dimokratiki Aristera/Dimar) ist eine Abspaltung der Syriza. Deren Chef Fotis Kouvelis verließ - genervt von Tsipras - 2010 die Syriza. Das Verhältnis von Tsipras zu den Kommunisten (KKE) ist sehr schlecht. Durch und durch stalinistisch, bezeichnen diese sich als revolutionär und streben die völlige Abschaffung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung an. Auch im Fall einer parlamentarischen Mehrheit ist ein linkes Bündnis unter Führung von Syriza mit Pasok, Dimar und KKE unvorstellbar. 

Alles läuft auf Neuwahlen hinaus. Samaras spekuliert darauf, dass seine ND bei einem möglichen weiteren Wahlgang am 17. Juni - er könnte auch eine Woche früher stattfinden, ein besseres Ergebnis erzielt, um dann ein Zweierbündnis mit der Pasok bilden zu können. Dieses Spiel ist allerdings gefährlich, denn auch die Tsipras-Truppe, die am 6. Mai nur 2,1 Prozentpunkte hinter den Konservativen lag, hat dieses Ziel nicht aus den Augen verloren. Pikant dabei ist, dass die stärkste Partei laut griechischem Wahlrecht mit 50 zusätzlichen Parlamentssitzen "belohnt" wird. Bekäme diese die Syriza, dann entstände eine völlig neue Situation.

Internationaler Druck und Plan B

So tanzt Griechenland weiter auf dem Vulkan. EU, IWF und EZB  senden keine Signale, die eine Lockerung der Sparforderungen beinhalten, nach Athen. Im Gegenteil: Die Tonlage verschärft sich. . Von der seit Längerem zugesagten Kredittranche von 5,2 Milliarden Euro überweist er nur 4,2 Milliarden. Die restliche Milliarde werde derzeit noch nicht benötigt, heißt es in einer EFSF-Mitteilung lapidar. Im Rahmen des zweiten Hilfspakets stehen weitere Sparmaßnahmen in Höhe von 11,5 Milliarden Euro an. Erst dann gibt es die dringend benötigten 31 Milliarden Euro. Und das alles bei einem noch nicht konstituierten Parlament, das höchstwahrscheinlich wieder neu gewählt werden muss, und fehlender - mit Legitimität des Volkes ausgestatteter - Regierung.

Die Geldgeber werden ihre prinzipielle Haltung nicht ändern. Zu viel Geld ist bereits nach Griechenland geflossen - EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso sprach kürzlich von 380 Milliarden Euro. Die Troika bleibt hart. Sie verschiebt die Entsendung von Vertretern nach Athen und macht damit ihrerseits Druck. Es ist ein Teufelskreis: Ohne entsprechende Zustimmung der Troika fließen keine weiteren Milliarden – der Pleitegeier schwebt wieder niedriger über dem Land.

Peer Steinbrück fordert einen Plan B.

Peer Steinbrück fordert einen Plan B.

(Foto: dapd)

Die Mehrheit der Griechen und ihrer Parteien - darunter auch Syriza - wollen den Euro behalten. Dennoch werden im Ausland die Rufe nach einem Ausscheiden von Hellas aus der Währungsunion immer lauter. Peer Steinbrück machte sich bereits seine Gedanken. "Wenn ich politische Verantwortung hätte, würde ich mich vorbereiten wollen auf einen Plan B, der darauf hinausläuft, dass die europäische Währungsunion nicht mehr zwingend aus 17 Mitgliedsstaaten besteht", sagte der ehemalige Bundesfinanzminister. Auch Haushälter in Berlin können sich mit einer Pleite Griechenlands "anfreunden". Sogar aus dem Frankfurter EZB-Turm wird darüber nicht mehr nur geflüstert. Griechenland könne nur in der Eurozone bleiben, wenn es am vereinbarten Sanierungsprogramm festhalte, wird Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen deutlich. Bei der Bundesregierung hört man das nicht gerne, denn man ist sich bei weitem nicht sicher, ob weitere Dominosteine (Portugal, Spanien) fallen. 

Die überwiegende Mehrheit der Griechen, die von den milliardenschweren Finanztransaktionen nichts spürt, wird so oder so weitere Jahre leiden müssen. Die einheimische Oberschicht lässt sie dabei schmählich im Stich. Niemand von der sogenannten Elite bekundete öffentlich seine Bereitschaft, einen Beitrag für seine leidenden Landsleute zu leisten - dazu gehört eine ordnungsgemäße Entrichtung von Steuern. Ihr Staatsverständnis ist ein inakzeptables, sehen sie den Staat doch nicht als Instrument, der das Zusammenleben einer Gesellschaft regelt und dafür mit entsprechenden Mitteln ausgestattet sein muss. Diese Haltung hat auch auf "normale" Griechen abgefärbt, die den Staat nur noch als Feind sehen. Korrupte Politiker tragen das Ihre an dieser Meinungsbildung bei.

Die Probleme Griechenlands liegen viel tiefer und werden nicht durch eine Parlamentswahl gelöst. Dennoch ist die Bildung einer handlungsfähigen Regierung, die mit Korruption und Vetternwirtschaft aufräumt, ein erster wichtiger Schritt. In dieser Hinsicht sieht es momentan allerdings düster aus.

Quelle: ntv.de

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